Triumph des Populismus
Sheriff Wing hat Probleme. Zunächst private: Sein unfähiger Ex-Kumpel und Ex-Deputy betrügt ihn mit seiner Frau. Er zieht sogar ins Haus, weshalb der Sheriff im Büro übernachtet. Groß aufregen tut ihn das nicht. Wing ist Meister im Aussitzen. Er weiß: Die Zeit hat für alles eine Lösung – auch für die Randalierer, die sein Revier im ländlichen Vermont unsicher machen.
Diesmal aber kommt es anders. Der neue Deputy ist eine Frau, tatkräftig und verlässlich. Sie heißt Olivia Gilfeather. Wing adressiert sie und spricht über sie stets mit Titel und Namen, denn er ist korrekt. Deputy Gilfeather würde gerne unter den Randalierern aufräumen, Wing vertraut lieber auf die Gesetze. Für Deputy Gilfeather ist das "Deeskalationsscheiß". Dennoch bleibt sie loyal.
Hilfe, wenn auch ungebetene, erreicht Wing auch von anderer Seite. Die Randalierer werden ihrerseits drangsaliert und ziehen nach und nach weg. Selbst Wings Ex-Kumpel räumt das Feld, der Sheriff kann wieder zu Hause einziehen. Und Deputy Gilfeather macht ihm einen Antrag.
Alles wieder in Butter? Nicht ganz. Es gibt jemanden im Ort, der Wing das Leben schwer macht. Steven Roark fordert, die Selbstjustiz an den Randalieren zu untersuchen. Einige von ihnen wurden übel gefoltert. Roark schaltet sogar die Behörden des Bundesstaats Vermont ein, und Sheriff Wing kann nicht mehr auf die bewährte Strategie des Aussitzens vertrauen.
Wie schon in seinem Erstling Männer mit Erfahrung zeigt der Autor Castle Freeman auf, dass es für Konflikte einfache und bequeme Lösungen nur bis zu einem bestimmten Punkt gibt; dann holen einen die Konflikte wieder ein. Und wie in Männer mit Erfahrung lässt sich der Mikrokosmos eines Kaffs in Vermont auch auf die große Bühne projizieren. Probleme werden mit fragwürdigen Mitteln, aber zur Zufriedenheit einer wie auch immer zustandegekommenen Mehrheit beseitigt, ebenso rasch wie oberflächlich. In der Politik hat die Methode des Nichthinterfragens und der Schnellschüsse, des Festhaltens an scheinbar Bewährtem und der Verweigerung rationaler Schlüsse einen Namen: Populismus.
Im Roman liest sich das leicht. Die Sprache: lakonisch. Die Dialoge: wunderbar verknappt. Die Handlung: durchgehend spannend. Die Wirkung: beim ersten Lesen unterhaltsam, bei genauerem Hinsehen nachdenklich machend. Fast alles lässt die Leserschaft dem Protagonisten durchgehen, so sympathisch kommt er rüber. Erst wenn man das Buch aus den Händen legt, setzt die Überlegung ein.
Hatte Sheriff Wing wirklich keine andere Wahl, als dem "Deeskalationsscheiß" abzusagen? Hat er sich nicht erst durch sein Aussitzen ins Dilemma gebracht? Wie geht es in dem Vermonter Kaff weiter nach der Lösung mit Knall (sie soll nicht verraten werden)? Wie bisher?
Ja, wie bisher! Nichts wird sich ändern, wenn auch die Methode, so praktisch sie für alle war, in Zukunft nicht wiederholbar sein wird. Es wird andere populistische Lösungen geben. Wie man sie kritisch hinterfragt, wird im Roman nur angedeutet. Ein junger Fahnder ist auf dem richtigen Weg, stellt unbequeme Fragen, lässt sich aber durch seinen korrupten Vorgesetzten von der Aufklärung des Falles abhalten. Als "Scheiß-Sherlock Holmes" kanzelt ihn der Chefermittler ab und legt, sich auf seine Routine berufend, den Fall zu den Akten.
Spätestens hier müssten bei der Leserschaft die Alarmglocken schrillen. Tun sie es nicht, geht es ihr wie dem verhinderten Sherlock: Irgendwann wird sich eine zweite Chance auftun. Dann gilt es, konsequent zu sein.

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