Charles Foster: Der Geschmack von Laub und Erde

Geschichte einer Tierwerdung

"Das Universum, in dem ich lebe, habe ich in meinem Kopf erschaffen. Es ist ein absolutes Unikat. Der Vorgang, Vertrautheit herzustellen bedeutet, dass man besser darin wird, jemanden in dieses Universum einzuladen, damit er oder sie sich darin umsehen kann. Das Gefühl der Einsamkeit ist das vernichtende Eingeständnis, dass, auch wenn man noch so gut darin wird, Leute in sein Universum einzuladen, niemand sonderlich viel darin vorfinden wird." Charles Foster versucht in diesem Buch, die Welt aus dem Blickwinkel unbekleideter walisischer Dachse, Londoner Füchse, Otter im Exmoor von Mauerseglern aus Oxford und Rothirschen in Schottland und Südwestengland wahrzunehmen. Traditionelle Naturschilderungen würden nämlich grundsätzlich an zwei Fehlern kranken, schreibt er, an Anthropozentrismus und Anthropomorphismus. Letzteres bedeute, menschliche Verhaltensweisen in tierisches Verhalten hineinzuinterpretieren und stünde ersterem in seiner Fehlerhaftigkeit um nichts nach. Vielmehr ginge es um die Vorstellung, dass eine Landschaft eher durch Geruchseindrücke als durch visuelle Wahrnehmung konstruiert sein könne. Die Vorstellung von Therianthropen (Mischwesen aus Mensch und Tier), wie sie in der Antike oder viel früher noch im Jungpaläolithikum angenommen wurden, waren zwar Gegenstand der Kunst, aber niemals der Realität, auch wenn viele Menschen gerade diese Wesen - zum Beispiel Ganesha - auch heute noch anbeten würden: Foster beweist das Gegenteil.

Wittgenstein irrt

Charles Foster begründet einige seiner Annahmen auch immer wieder mit kleinen Experimenten, die er mit seinen eigenen Kindern gemacht hat. Ausgehend von der These, dass wenn man es Kindern erlaube, auf der Jagd zu sein, sie ständig auch auf Jagd gingen, versteigt ihn zu der Annahme, dass man das Rad der Evolution und der Entwicklungsgeschichte durch die Jagd zurückdrehen könne, denn dann würden unsere Sinne, wieder die Sinne unserer Vorfahren, die Sinne unserer Kinder, die noch nicht von der modernen Gesellschaft beeinflusst wurden. Der Ehrlichkeit halber gibt er schnell zu, dass der Stress der vollkommenen Ereignislosigkeit für Tiere wohl nicht so enervierend sein könne wie für Menschen, aber dennoch gesteht er Tieren ein Bewusstsein zu. "Man wird besser im Reden, wenn man redet. Und man wird besser in Beziehungspflege, indem man Beziehungen aufbaut, wofür man Zeit braucht." Wenn Wittgenstein also sage, dass man einen Löwen gar nicht verstehen würde, wenn er sprechen könnte, widerspricht ihm Foster und hält fest: "Wittgenstein irrt. Ich weiß es."

Der Ethikprofessor in der Wildbahn

Mit feinem britischen Humor erzählt der britischen Wissenschaftler, Anwalt, Tierarzt, Ethikprofessor und Vater von sechs Kindern die Geschichte seiner Tierwerdung. Sein Buch enthält viele Informationen zum Überleben in der freien Wildbahn, Spekulationen und Zivilisationskritik. Es ist aber auch ein Buch über den Verlust von intensiven Lebensgefühlen, die uns die bunte Warenwelt mit ihren Konsumtempeln nicht zu geben vermag, und über die Rückgewinnung des Instinkts. Charles Foster schlief unter der Erde wie ein Dachs, in Abflussrohren wie eine Otter oder jagte wie ein Fuchs. Er ließ sich von Hunden hetzen wie ein Rothirsch und machte Beute mit seinem Mund. Ein Buch besonders auch für Stadtkinder. Um ein anderer zu werden, müsse man eben auch über ein intaktes Ich verfügen. Das scheint Foster gelungen zu sein.

Der Geschmack von Laub und Erde
Robert A. Weiß (Übersetzung)
Der Geschmack von Laub und Erde
Wie ich versuchte, als Tier zu leben
288 Seiten, gebunden
Originalsprache: Englisch
Malik 2017
EAN 978-3890292625

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