Tierische Freundschaft in Kriegszeiten
Für sein 2017er-Spielfilm-Debüt Die beste aller Welten bekam der salzburgische Regisseur mehr als zehn Preise verliehen. Die Authentizität und die geradezu als Neorealismus zu bezeichnende Aufarbeitung seiner Kindheit sorgten für einen guten Ruf des Jungtalents.
Meine Familie, der Fuchs
Mit "Der Fuchs" legt Goiginger bezüglich Realismus noch nach. Denn diese Geschichte dreht sich um Adrians Urgroßvater, der während des Zweiten Weltkrieges zwar in die Wehrmacht eingezogen wurde, sich als Motorradkurier jedoch dennoch die Freiheit nahm, einen wilden Fuchswelpen zu adoptieren und groß zu ziehen. Was heute beinahe als unmöglich gilt, machte der Krieg möglich. Ein Tier an der Front würde unter normalen Umständen den Tod für beide bedeuten. Aber "Der Fuchs" ist nicht nur die Geschichte dieser ungewöhnlichen Freundschaft zwischen einem Menschen und einem Tier, sondern auch ein Teil von Österreichs Geschichte zwischen den Kriegen. Goiginger erzählt nämlich auch das karge und armselige Leben im Österreich, Mitte der 1920er-Jahre. Aus der großen Not heraus muss die Bergbauernfamilie Streitberger ihren jüngsten Sohn, Franz, in die Obhut eines Großbauern geben. Als der herangewachsene Franz die Knechtschaft mit Erreichen der Volljährigkeit aufkündigen darf, schließt er sich dem Bundesheer an. Dieses wird nach dem Anschluss Österreichs in die Wehrmacht integriert und so wird Franz mit seinen Kameraden an der Westfront stationiert. Seine Kompanie startet 1940 den Angriff auf Frankreich, wo er dann im Wald den besagten verletzten Fuchswelpen findet: auch er eine Waise. Wer hier an den kleinen Prinzen denken muss, ist nicht ganz auf dem Holzweg. Denn für den sensiblen Franz, der von seinen Eltern weggegeben wurde, wird der Fuchs zu seiner eigentlichen Familie. Oder zu einem guten Ersatz.
Fuchsfreundschaft zum Schnurren und Quieken
Vom Fuchs hatte der Urgroßvater dem künftigen Regisseur schon als Kind erzählt. Das mag wohl seinen Willen bestärkt haben, daraus mit guten 31 Jahren seinen zweiten abendfüllenden Spielfilm zu machen. Die Füchse und das echte Schnurren gehören natürlich zu den Highlights dieser Erzählung, bei der kein Auge trocken bleibt. Insgesamt sollen es sechs Füchse gewesen sein, die des Urgroßvaters Fuchs verkörpern durften. Hauptdarsteller Simon Morzé hat für den Film zu den Füchsen zwei Jahre lang eine Beziehung aufgebaut. Denn jedes Mal, wenn der Fuchs im Film zu sehen ist, handelt es sich tatsächlich um ein echtes Tier, ohne digitale Nachbearbeitung oder dergleichen. Drei Fuchsbabys und zwei erwachsene Exemplare wurden von zwei erfahrenen Tiertrainern für den Dreh vorbereitet, an die Motorräder sowie an die Schauspieler gewöhnt. Der Regisseur in einem Interview: "Der ganze Dreh war auf sie ausgerichtet, man muss ihr Leben und ihre Emotionen akzeptieren, anders geht es nicht." Und das Schnurren? "Ja, Füchse schnurren und quieken. Das habe ich selbst auch gar nicht gewusst." Also alles echt, auch in diesem Film von Goiginger, der es versteht, Familiengeschichte und zeithistorisches Drama authentisch zu inszenieren und echte Filmerlebnisse zu garantieren. Denn auch wenn der Weltkrieg nur eine untergeordnete Rolle spielt und auch die Liebesgeschichte zu einer Französin vorerst als allzu kitschig erscheint, setzt sich Goigingers Neorealismus doch durch und so erzählt er vorrangig die Geschichte von Franz und seinem Füchsle.
Denn mit diesem Fuchs kann der Franz den Verstoß aus seiner eigenen Familie aufarbeiten und eine Beziehung aufbauen, wie es sonst wohl niemandem gelungen wäre. Aber der Abschied naht, denn Franz' Kompanie wird an die Ostfront versetzt. Was wird mit dem Fuchs geschehen?
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