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Sydney Pollack: Der elektrische Reiter

One drunken cowboy

"My Heroes Have Always Been Cowboys", singt Willie Nelson, der in einer Nebenrolle in Electric Horseman mitsingt, in einem seiner schönsten Lieder, das auch in diesem wunderschönen Film über Sonny "der letzte Mohikaner" Steele, ein Rodeo-Reiter mit Herz, stilvoll und passend eingesetzt wird. Der Oscar-nominierte Klassiker erscheint erstmals als Blu-ray-Disc bei Koch Media und zeigt, dass es damals, 1979, noch Helden gab, die sich gegen die Durchkapitalisierung unserer menschlichen Existenz auflehnten und noch den Verve besaßen, sich nicht dabei erwischen zu lassen.

Von Cowboys und Pferden

Sonny Steele (Robert Redford) kommt völlig betrunken in einem violetten Kostüm ins Bild und wird auf ein Pferd gesetzt und in die Arena geschickt, um Werbung für Rancho Cereals (Frühstücksflocken) zu machen. Sein Kostüm und das Pferd sind mit elektrischen Glühbirnen ausgestattet und er reitet so lange, bis er vom Pferd fällt. Zuerst zeigt die Kamera überall die Werbung und den Ausverkauf und dann sieht man, wie Sonny nicht einmal mehr auf ein Pferd aufsteigen kann. Die Vermarktung seiner Rodeo-Künste haben Sonny ruiniert. Er ist von einem Künstler zu einer Schießbudenfigur verkommen. Einst ein stolzer Held und Impersonifikation des American Dream ist er nunmehr heruntergewirtschaftet und völlig am Ende. "Mamas, don’t let your babies grow up to become cowbies/’Cause they’ll never stay home and they’re always alone/Even with someone they love", lautet das Schicksal des einsamen Helden bei Willie Nelson in einem anderen Lied, das für den Soundtrack des elektrischen Reiters verwendet wurde.

Herz am rechten Fleck

"We have a life like oil barons and we’re living better than we got a right to", sagt Sonny zu seiner Crew, aber der ganze Luxus, das Geld und die Frauen können ihm nicht das zurückgeben, was er verloren hat. Bei einer Presskonferenz wird er von der Fernsehreporterin Hallie (Jane Fonda) auch noch provoziert, denn nicht nur sie hat seinen Alkoholismus längst erkannt. Als es zu einem Wortwechsel mit dem Boss der Firma ABKO kommt, die Rising Star, das beste Pferd im Stall, für eine Werbekampagne benutzt, wirft Sonny Steele die Nerven weg. Der unbeugsame Machtwille zur Ausbeutung der Natur und ihrer Ressourcen (Kapitalist) und der einfache Mann (der elektrische Reiter) stehen sich in einem Wortduell gegenüber und giften sich an. Sonny sieht wie krank Rising Star ist und stellt sich gegen die Kommerzialisierung des armen Pferdes, obwohl natürlich auch er davon profitiert. Denn die Werbung und Vermarktung der Cereals haben ihm mehr Geld gebracht als das Rodeo selbst. Und Sonny weiß, dass auch er austauschbar ist. "When this is over: get rid of him", meint der ABKO-Boss abschließend.

One drunken cowboy

Die spektaktuläre Szene - als er das Konzept des Art Directors für die Casino-Show ruiniert und mit dem Pferd über die Bühne mit den tanzenden Mädchen in die Stadt hinausreitet - muss hier doch verraten werden, sie gehört zu den sehenswertesten der Filmgeschichte und Willie Nelson singt passenderweise"Midnight Rider" dazu. Herrlich sind auch die Dialoge zwischen Cowboy Sonny und Journalistin Hallie, etwa der folgende: "If you want information, go tot he library. You dont want answers, you just want a story. Your story. I don't wanna be a story.", und er erklärt ihr, dass man in Afrika glauben würde, die Seele zu verlieren, wenn man fotografiert wird. "I’m nobody’s story now but my own", meint Sonny, eine Absage an Stardom und Konsum wie sie radikaler nicht sein könnte, denn die Werbung und die Presse gehören zum selben Monster, das einige einst "das System" nannten.

That’s what friends are for

Der Pferdedieb des 12 Million Dollar werten Pferdes Rising Star wird bald gejagt und das bis nach Utah (von Nevada). Bald werden Lügen über Sonny in den Medien verbreitet und er muss sich verstecken, Robert Redford, der incognito mit Sonnenbrille und Cowboyhut telefoniert: das muss man gesehen haben. "Is it you?" fragt Hallie, seine einzige Verbindung zur Welt am anderen Ende der Telefonleitung, "Yes, right out of the dim glow of a shrouded campfire,". Eine Antwort, die man sich aufschreiben sollte. Sydney Pollack zeigt aber auch, dass gerade der Wimmel um den Ausbrecher und Pferdedieb Sonny Steele gut vermarktbar ist, denn der Verkauf der Cereals geht um 30% rauf, die Sympathie der Bevölkerung lässt auch aus einer Rebellion Profit schlagen. Aber am Ende verarscht Sonny alle, denn er führt die Medien und den Konzern an der Nase herum und so kommt es wieder zu Willie Nelsons Song von oben. "I thought you guys were pals,", sagt Hallie über Sonny und Rising Star, als dieser ihn zu den anderen Mustangs entlässt. "Yes, that’s what we are", antwortet Sonny genau in dem Moment als er den Halfter löst und Rising Star in den Sonnenuntergang zu den anderen Mustangs stürmt. Denn das ist es, was Freunde tun: sich gegenseitig die Freiheit zu lassen, zurückzukehren. Männerfreundschaft, das können Frauen wie Hallie halt einfach nicht verstehen. "Ma’m I had no idea,".

"My heroes have always been cowboys. And they still are, it seems.", singt Willie Nelson.


von Juergen Weber - 24. Oktober 2017
Der elektrische Reiter
Sydney Pollack (Regie)
Der elektrische Reiter

Plaion 2017
Laufzeit: ca. 121 Minuten
EAN 4020628812218