Behutsame Änderung des Blickwinkels
Eric-Emmanuel Schmitt greift in seinem neuen Roman "Das Evangelium nach Pilatus" die wohlbekannte Geschichte von Jesu Verurteilung, Tod und Wiederauferstehung auf. Doch wer war dieser Pilatus? Was hat er gedacht, gefühlt, geglaubt? Schmitt versetzt sich in seiner Version in die Person Pilatus, und dies Wertfrei, ohne Vorverurteilung, ohne eine eindeutige Position zu beziehen. Ihm ist nicht wichtig, Pilatus zu richten, sondern dem Hörer die Möglichkeit zu geben, eigene Gedanken, die eventuell dem Glaubensdogma der römisch-katholischen Kirche zuwider laufen, zu entwickeln, ohne dabei jedoch die in den Evangelien geschilderten "Tatsachen" in Frage zu stellen.
Dies klingt wie ein unmöglich zu vollbringender Drahtseilakt, funktioniert in der Tat aber erstaunlich gut. Denn Schmitt bedient sich als Stilmittel des altbekannten Briefromans. Die erste CD schildert in poetischen Bildern, die in seltsamem Gegensatz zu den Geschehnissen stehen, von Jesus' letzten Minuten auf dem Ölberg. Seine Häscher erwartend, berichtet er in einem langen Monolog über sein Leben, seine Sorgen und seine Fehler, die in der Aussage münden "Der ganze Ärger begann mit den Wundern". Die beiden anderen CDs bilden den einseitigen Schriftverkehr zwischen Pilatus und seinem Freund Titus ab, denn Antworten von Titus sind nicht enthalten. Pilatus berichtet von der Verschwörung gegen das römische Reich, die sich im Diebstahl der Leiche eines der Gekreuzigten manifestiert. Gemeinsam mit einem Polizei-Aufgebot durchsucht er akribisch jeden Winkel der Stadt, kann jedoch die Leiche nicht finden. Gerüchte dringen an sein Ohr, wonach der Tote gen Himmel gefahren sein soll, ja sogar von Wiederauferstehung ist die Rede. Doch solches Geschwätz kann einen rational denkenden Stadthalter nur belustigen und sein Lachen bleibt ihm erst im Halse stecken, als er mit eigenen Augen Jesus leibhaftig gewahr wird. Doch selbst jetzt, im Angesicht dieses Wunders, bleibt er seiner Linie treu, sucht nach intellektuellen Deutungs- und Erklärungsmustern, die jedoch alle im Nichts verlaufen, wenn man sie einmal nüchtern betrachtet.
Burkhart Klaußner, der Sprecher dieser ungewöhnlichen, aber außergewöhnlich gut gelungenen Geschichte, verzichtet völlig auf Effekthascherei und beschränkt sich professionell auf einen unprätentiösen Vortrag. Dabei hat man das Gefühl, nicht im Wohnzimmer oder Auto zu sitzen, sondern einem der Jünger zu lauschen, der, auf dem Marktplatz einer kleinen verstaubten Karawanserei hockend, Jesu Geschichte von Dorf zu Dorf, von Mund zu Mund trägt und dabei seine eigene Persönlichkeit und Sicht der Dinge völlig zurück nimmt.
Fazit: Der gelungene Versuch, in einer technikhörigen Welt neue kontemplative Impulse zu geben. Die, selbstredend, frei erfundenen Gedanken und Briefe sind jedoch plausibel und schlüssig und verleihen den bisherigen Evangelien eine neue, moderne Dimension. Das ideale Hörbuch für undogmatische Gläubige aller Konfessionen.
![Das Evangelium nach Pilatus](
https://www.rezensionen.ch/storage/medium/das_evangelium_nach_pilatus-3898134571.jpg)
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