Das Wiegenlied vom Totschlag

Am Höhepunkt des Vietnamkrieges und gleichzeitig mit Little Big Man erschien "Soldier Blue" und erzeugte gleich mehrere vielfältige kontroverse Reaktionen. Denn das Massaker an den Indianern am Ende des Films ähnelte sehr dem Massaker von My Lai, das in der Weltöffentlichkeit durch die neuen Medien sehr schnell bekannt geworden war und weltweit für Empörung gesorgt hatte. Candice Bergen und Peter Strauss als Protagonisten sorgten zusätzlich für Aufsehen, besonders wegen den für einmal ganz anders verteilten Geschlechterrollen. Soldier Blue: ein echter Hippie-Western?

Die Indianer und Vietnam

Was Vietnam und die sog. Indianer gemeinsam haben? Nun, Soldier Blue ist nicht der erste Film, der die Affinität zwischen dem Krieg in Indochina mit dem gegen die eigenen amerikanischen Ureinwohner vergleicht. "I look out and I see a land/Young and lovely, hard and strong", singt Buffy Sainte-Marie im gleichnamigen Film-Titelsong, der in Textur und Ductus sehr an die Hippielieder dieser Zeit, der Siebziger, erinnert. Aber was der Song nicht erzählt, ist, dass dieses Land (die USA) nicht "young and lovely" war, sondern schon eine lange Geschichte hatte und bereits vor der weißen Kolonisierung bewohnt war. Das betont in recht deutlichen Worten auch immer wieder die von Candice Bergen dargestellte Kathy Maribel „Cresta“ Lee, die kein Blatt vor den Mund nimmt. Sie nennt die Verbrechen der amerikanischen Armee gegen die Ureinwohner beim Namen, während Honus Gent (Peter Strauss), selbst Soldat, larmoyant über den Verlust seiner Kameraden weint. Die recht derbe Sprache von Cresta und ihre durch und durch feministische, selbstbewußte Art und Weise zu handeln, ihr Habitus, war sicherlich neu im Western Genre, ganz besonders aber im Amerika der Siebziger. Die 68er-Bewegung hatte zu großen Veränderungen in den Geschlechterrollen geführt und das schlägt sich auch in diesem ganz besonderen, "emanzipierten" Western von Ralph Nelson nieder. Das Drehbuch stammt von John Gay. Es wurde auf der Grundlage des Romans "Arrow in the Sun" von Theodore V. Olsen verfasst. 

Liebesgeschichte und Anklage

Das Massaker an den amerikanischen Ureinwohnern des Cheyenne-Stammes von 1864, das in Buch und Film erzählt wird, fand tatsächlich statt. Es wird am Anfang des Films auf die historische Grundlage verwiesen und an den Frieden gemahnt, ein moralischer Appell, der durch das grausame Massaker am Ende des Films konterkariert wird. Dazwischen irren Cresta und Honus zwischen den feindlichen Frontlinien hin und her, ähnlich wie Jack Crabb (Dustin Hoffman) in Little Big Man. Aber aus den unterschiedlichen Charakteren entwickelt sich bald eine Liebesgeschichte nicht nur deswegen weil Cresta Honus das Leben rettet. Da sie einmal mit dem "Gefleckten Wolf" verheiratet war, kennt sie sich besser im Westen aus als Cresta. Die zärtlichen Szenen zwischen den beiden finden ein jähes Ende als die Armee auf das Indianerdorf trifft und grausame Vergeltung für einen Überfall zu Beginn des Films übt, der auch vor Frauen und Kindern nicht Halt macht.

Eindrückliche Szenen unterstreichen die Friedensbotschaft des Films, der als einer der ersten Western seiner Zeit auch einmal die Seite der Indianer zeigt. Candice Bergen als Cresta übernimmt deren Fürsprache und Verteidigung und muss doch am Ende zusehen, wie auch ihr alles genommen wird. Ein grausames Kapitel der amerikanischen Geschichte, das im 20. Jahrhundert in Vietnam seine Fortsetzung fand. Ein wichtiger Film also sowohl für die Rolle der Frauen, das gesellschaftliche Klima der Zeit als auch die Sache der Ureinwohner. An den Kinokassen wurde der Film allerdings durch den zeitgleich erscheinenden Little Big Man ausgestochen, ein Grund mehr, ihn sich jetzt als BluRay zu besorgen.