Unbewältigte Vergangenheit
"Das Messer mit dem hölzernen Griff" - unter dem Titel Tahta Saplı Bıçak im Jahr 2007 erschienen - ist das fünfte Buch des 1968 in Istanbul geboren Schriftstellers und Politikphilosphen Türker Armaner.
Der Student Serdar verbringt wegen seines gefährlichen politischen Engagements an der Universität gezwungenermaßen einige Wochen im Sommerhaus von Verwandten am Meer, wohin er bisher nur aus reinem Vergnügen und immer gerne gefahren war. Doch seit in der Nähe eine riesige Zementfabrik entstand, die bereits in der Bauphase ihre Produktion aufnahm, liegt alles unter einer hellen Staubschicht begraben. Auch das Meer ist nicht mehr, was es einmal war ... Es hat in der türkischen Literatur Seltenheitswert, dass ein Autor die Umweltverschmutzung und -zerstörung in der Türkei zu einem zentralen Thema eines Romans macht.
Als weiteren Gegenstand behandelt Armaner die Beziehung zwischen städtisch-intellektuellen und ländlichen Milieus in der Türkei, die von tiefem gegenseitigem Unverständnis, Misstrauen und sogar Hass geprägt ist.
Das dritte, eigentlich wichtigste Thema des Buchs aber sind die politischen Verhältnisse in der Türkei im Jahr 1979, dem Vorabend des Militärputsches unter Generalstabschef Evren. Serdars Verwandte teilen die hysterische Angst der Militärs vor dem Kommunismus und finden das Militär weniger bedrohlich als religiöse Fanatiker.
Mittels Rückblenden in das Jahr 1939 und Erinnerungsfetzen einer der Hauptfiguren des Romans verknüpft der Autor auf raffinierte Weise die Kommunistenhatz der späten 1970er Jahre mit einer Zeit, als die Türkische Republik noch jung war und in ihr, gepaart mit Nationalismus, ebenfalls der Antikommunismus vorherrschte.
Unmittelbar vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs erhielt die junge Münevver ein 6-monatiges Forschungsstipendium für Berlin. Ihr Vater hatte nicht etwa Bedenken, seine Tochter allein ins nationalsozialistische Reich reisen zu lassen, im Gegenteil. Als eingefleischter Nationalist und Antikommunist sympathisierte er sogar mit dem faschistischen Franco-Regime in Spanien. So reagierte auch Münevver nicht entsetzt auf die nationalsozialistischen Parolen eines Studienkollegen, sondern ließ sich sogar noch auf eine Liebesgeschichte mit ihm ein - eine Affäre, die sie lebenslang bereuen sollte. Im Nachhinein, angesichts der von Deutschland verübten Gräueltaten, kann sie nicht begreifen, weshalb bei ihr damals nicht sämtliche Alarmglocken schrillten, als sie Gelegenheit hatte, das nationalsozialistische Deutschland aus nächster Nähe zu beobachten.
Noch heute begegnen einem als Deutschem in der Türkei unerwartete - und meist unerwünschte - Sympathien und nicht selten sieht man sich mit dem Ausspruch, "Ich liebe Hitler!", konfrontiert, der einem in der Regel in völliger Unkenntnis des Nationalsozialismus ins Gesicht geschleudert wird, denn die meisten Menschen in der Türkei assoziieren mit Hitler lediglich "ein großer Führer" und natürlich die Judenverfolgung. Atatürk wird als Führer verehrt, und nicht zuletzt Recep Tayyip Erdoğan versucht sich selbst das Abzeichen eines der drei größten Führer der Welt an die vor Stolz geschwellte Brust zu heften.
Vor diesem Hintergrund ist ein Buch wie "Das Messer mit dem hölzernen Griff" wichtig für die Türkei, da hier der Nationalsozialismus von 1939 von seiner ideologisch bornierten, menschenverachtenden Seite geschildert wird.
Auch dem deutschsprachigem Publikum darf man den Roman wärmstens ans Herz legen, denn obwohl jedes Jahr Millionen Deutsche in die Türkei reisen, dürften nur wenigen von ihnen die freundschaftlichen Kontakte der beiden Staaten in der Geschichte bekannt sein - zumal sie in eine Zeit fallen, an die man sich hierzulande nicht gerne, in der Türkei hingegen ständig und sogar mit Stolz erinnert.

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