"Schriftsteller sind nicht ganz richtig im Kopf, das weiss doch jeder."
"Bevor Sie uns Ihr Manuskript zusenden, bitten wir Sie, sich eingehend mit unserem Verlagsprogramm auseinanderzusetzen. Wir veröffentlichen grundsätzlich keine Lyrik, keine Aphorismensammlungen und auch keine Ratgeberbücher in der Art von »Wie pflege ich meinen Goldhamster?«. Seien Sie sich auch der Tatsache bewusst, dass auf tausend Einsendungen höchstens eine Veröffentlichung kommt", steht auf der Website des in Zürich domizilierten Dörlemann Verlages.
So oder ähnlich kann man das auch bei anderen Verlagen lesen. Es versteht sich: Die Verlage gehen davon aus, dass sie fähig sind, Qualität von Schrott zu unterscheiden. Nun irrt der Mensch vor allem dann am häufigsten, wenn er sich selber zu beurteilen hat und Verlagsangestellte bilden dabei keine Ausnahmen. Man denke an berühmt gewordene Ablehnungen wie etwa die von Marcel Proust, Richard Brautigan oder John Kennedy Toole. Oder man denke daran, wie wenige der Bücher, die man gelesen hat, einen wirklich unterhalten und bereichert haben.
Verleger (diejenigen, die lesen) haben dasselbe Selbstverständnis wie Chefredakteure (diejenigen, die lesen): Sie glauben, zu wissen, was die Leute wollen. Nun ja, mehr als Selbstüberschätzung ist das nicht, denn kein Mensch weiss, ob sich ein Buch verkaufen wird oder nicht. Sicher, man kann begründete Vermutungen anstellen, plausible Wahrscheinlichkeiten berechnen, doch am Ende kann man nur hoffen, dass der eigene und der Geschmack der Leserinnen (Männer lesen kaum) sich decken. Und da auch Verleger (und Verlegerinnen) weit weniger speziell sind als sie oft glauben, kommt das eben auch immer mal wieder vor.
Auf diesem Hintergrund beschliesst Jean-Pierre Courvec, der Leiter einer bretonischen Gemeindebücherei, eine Bibliothek für abgelehnte Manuskripte zu gründen, von der auch eine aufstrebende Lektorin in Paris erfährt. In der Folge entdeckt sie dort einen Text, der sie völlig in ihren Bann schlägt. Der Text, verfasst von einem verstorbenen Pizzabäcker, von dem niemand wusste, dass er geschrieben hatte, wird ein sensationeller Erfolg, der mannigfaltige Auswirkungen hat, nicht zuletzt auf die Witwe und ihre Tochter sowie deren Exmann.
Die Geschichte dieses Manuskripts ist spannend erzählt und ist so recht eigentlich auch eine Meditation über ganz viel Anderes. Etwa über das Musikhören, einer Begeisterung, die einem abhanden kommen kann. Oder über Schicksalsschläge: "Man gewöhnt sich letztlich leichter als gedacht an Dinge, die man sich erst überhaupt nicht vorstellen kann." Oder über den Willen: "Man kann sich selbst zur Vernunft rufen, doch letztlich entscheidet der Körper, wie lange er braucht, um eine Wunde zu schliessen."
"Das geheime Leben des Monsieur Pick" ist ein höchst amüsantes Buch, eine zum Schmunzeln und zum gelegentlich lauten Heraus-Lachen einladende Satire über den Literaturbetrieb, in dem auch Leute arbeiten, die weder lesen, noch einen Bezug zu Büchern haben. Etwa Magali Croze, die mit Jean-Pierre Courvec in einer bretonischen Gemeindebibliothek zusammenarbeitet und seiner Idee, abgelehnte Manuskripte zu sammeln, recht skeptisch gegenüber steht.
"Wollen Sie wirklich die ganzen Psychopathen der Umgebung hier haben? Schriftsteller sind nicht ganz richtig im Kopf, das weiss doch jeder. Und Schriftsteller, die überhaupt nichts veröffentlichen, wahrscheinlich erst recht."
"Es wird endlich einen Ort geben, wo sie willkommen sind. Sehen Sie es als karitatives Werk an."
"Ich verstehe: Ich soll so etwas wie die Mutter Theresa der erfolglosen Schriftsteller werden."
"Genau, so ähnlich ...".
"...".
Skeptisch ist auch der einstmals einflussreiche Literaturkritiker Jean-Michel Rouche, der einfach nicht glauben kann, dass jemand im Verborgenen und nur ganz für sich schreibt - dass es solche Menschen durchaus gibt, zeigt der Autor übrigens anhand der posthum als Strassenfotografin berühmt gewordenen Vivian Maier - und eine Inszenierung des Verlags wittert. Er macht sich auf in die Bretagne, er wird dieser Geschichte auf den Grund gehen, er vermutet einen literarischen Schwindel.
"Das geheime Leben des Monsieur Pick" handelt auch von mehreren, berührenden Liebesgeschichten und ist nicht nur witzig und wunderbar unterhaltend, sondern bietet auch eine raffinierte Zuspitzung und überraschende Auflösung der Geschichte. Und ist überdies auch voller smarter Einsichten. "Wie lange hatte er sich aus dem Gespräch ausgeklinkt? Wer vermochte das zu sagen? Der Mensch verfügt über die einzigartige Fähigkeit, immerzu mit dem Kopf zu nicken, so zu tun, als würde er der Unterhaltung folgen, und dabei doch an etwas vollkommen andres zu denken. Daher braucht man nie zu glauben, im Blick des anderen lesen zu können."
Fazit: Intelligente, anrührende und lehrreiche Unterhaltung.

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