Roger Blum: Das Blatt der Patrioten

Spannungsvolle Geschichte einer Zeitung und Region

Im frühen 19. Jahrhundert war der Kanton Basel, wie andere Regionen in Europa, geprägt von starken Spannungen zwischen Stadt und Land. Basel-Stadt, mit seinem wirtschaftlichen Wohlstand und seiner politischen Dominanz, übte eine fast feudale Kontrolle über das Umland aus. Die Landbevölkerung litt unter hohen Abgaben, fehlendem Mitspracherecht und einer rigiden Verwaltung, die durch städtische Eliten dominiert wurde. Ländliche Gemeinden fühlten sich von der Stadt nicht nur wirtschaftlich ausgebeutet, sondern auch politisch marginalisiert. Die Unzufriedenheit wuchs.

Ein Höhepunkt der Spannungen wurde im europäischen Revolutionsjahr von 1830 erreicht. Im Kanton Basel kam es zu einem Aufstand der Landbevölkerung. Als die Stadtregierung in Basel die Forderungen nach einer gerechteren politischen Ordnung zurückwies und militärisch gegen die aufmüpfige Landbevölkerung vorging, eskalierte der Konflikt. Im Jahr 1833 kam es dann zur entscheidenden Wendung: Die ländlichen Gemeinden erklärten ihre Unabhängigkeit von der Stadt und gründeten den eigenständigen Kanton Basel-Landschaft (Baselland).

Die Trennung war ein Wendepunkt in der Geschichte der Region. Während Basel-Stadt weiterhin als wirtschaftliches und kulturelles Zentrum florierte, entwickelte sich Baselland zu einem eigenständigen Kanton mit einer eigenen Identität und stärkerer Einbindung der ländlichen Bevölkerung in die politische Entscheidungsfindung. Die Rivalität zwischen Stadt und Land blieb bestehen und ist bis heute in vielerlei Hinsicht spürbar – sei es in kulturellen Differenzen, politischen Prioritäten oder der Diskussion um eine mögliche Wiedervereinigung.

Die „Basellandschaftliche Zeitung“ (BZ, später bz abgekürzt) spiegelt die Geschichte und Eigenheiten des Kantons Baselland wider. Sie entstand 1854 als liberales Projekt der Familie Lüdin in Liestal, rund 20 Jahre nach der politischen Abspaltung von Basel-Stadt. Ihr Name ist ausgesprochen nüchtern im Vergleich zu den Namen der Zeitungen, die vor der BZ im neuen Kanton entstanden: „Der unerschrockene Rauracher“, „Der Rechts- und Wahrheitsfreund aus Baselland“ oder „Der freie Baselbieter“ machten die Linie gleich im Namen klar. „Das Blatt der Patrioten“, so der Titel des Buches von Roger Blum, erzählt die Geschichte der „Basellandschaftlichen Zeitung“ von ihrer Gründung (und Vorgeschichte) bis ins Jahr 2011, also der Zeit, in der sich die Zeitung im Besitz der Gründerfamilie befand. Das Buchprojekt ist eine Auftragsarbeit der Familie Lüdin, wobei, wie Blum im Vorwort betont, ihm inhaltliche Freiheit vertraglich zugesichert wurde. Auch wenn das Werk unweigerlich auch die Geschichte der Familie Lüdin erzählt, ist das Buch kein gefälliges Familienporträt geworden, das sich nur auf die positiven Errungenschaften konzentriert, sondern bietet interessanten, historischen Lesestoff, der die wechselvolle Geschichte der Region und Medienlandschaft anhand der „Basellandschaftlichen Zeitung“ nachzeichnet.

Im Laufe der Jahrzehnte entwickelte sich die BZ zu einer typischen Schweizer Regionalzeitung. Neben der Berichterstattung zu lokalen und kantonalen Themen, deckte sie auch nationale und internationale Ereignisse ab. Wobei "typisch" nicht unbedingt akkurat ist, denn die BZ berichtete, im Gegensatz zu anderen Zeitungen, nicht betont neutral, sondern liess weiterhin durchaus ihre politische Meinung durchblicken. Schwerpunkte des Buches sind anhand grosser Themen respektive „Fragen“ gesetzt: Demokratiefrage (1861-1869), Gerechtigkeitsfrage (1900-1920), Nazifrage (1933-1945), Wiedervereinigungsfrage (1933-1969), Kalte Krieg-Frage (1953-1989), Ökologiefrage (1975-2011). Der Buchtitel „Das Blatt der Patrioten“ hebt die regionalpatriotische Haltung hervor, die die Zeitung stets eingenommen hat, insbesondere wenn es darum ging, die Wiedervereinigungsfrage zu stellen, die bis heute von basellandschaftlicher Seite stets klar abgelehnt wurde. Zuletzt 2014 mit 68,3 % Nein-Stimmenanteil. Eine Wiedervereinigung ist damit in weite Ferne gerückt.

Roger Blum, in Liestal aufgewachsen, Medienwissenschaftler und Historiker (1989 bis 2010 Professor für Kommunikations- und Medienwissenschaft an der Universität Bern), ehemaliger Präsident des Schweizer Presserats, SRG-Ombudsmann sowie früherer BZ-Mitarbeiter und basellandschaftlicher Politiker, hat nicht nur einen starken persönlichen Bezug, sondern auch den idealen fachlichen Hintergrund, um eine umfassende und spannende Monografie über dieses politisch und geschichtlich wichtige Medienprodukt mit regionaler und schweizweiter Bedeutung zu verfassen. Dies ist ihm vorzüglich gelungen.

Das Blatt der Patrioten
Das Blatt der Patrioten
Geschichte der «Basellandschaftlichen Zeitung»
440 Seiten, broschiert
EAN 978-3856738082

Der Zauberer am Tegernsee

Dieser schmale Band über die Zeit, die Thomas Mann und die Seinen in der Sommerfrische verbringen, ist ein wahrer Lesegenuss.

Thomas Mann macht Ferien

Ein verhängnisvolles Porträt

Das Bildnis des Dorian Gray - der Klassiker der Dark Romance in einer Schmuckausgabe mit vielen Extras und floralen Illustrationen.

Das Bildnis des Dorian Gray

Ein moderner Western in Boulder City

"No Way Home" kommt ganz ohne die für Boyle typischen Umweltpolitikszenarien aus und widmet sich ganz dem Thema #1: die Liebe.

No Way Home

I’m Only F**king Myself

Das dritte Album der britischen Senkrechtstarterin macht die Pole Addiction und Avoidance tanzbar zu heißen Beats ...

I’m Only F**king Myself

Kein Pardon für den Marder

Caroline Wahls Roman "Die Assistentin" wird zur unbarmherzigen Abrechnung.

Die Assistentin

Tröstliche Horizonte und abgründige Ausblicke

Sirka Elspaß’ Gedichte führen in ein Spannungsfeld aus Glauben, Zweifel und existenzieller Suche. Eine Lyrik, die tröstet und verstört, die den Spiegel vorhält – und nicht loslässt.

hungern beten heulen schwimmen