Porträt eines der wohl größten italienischen Regisseure
"Eigentlich ist er viel mehr ein Maler und Musiker, aber sein Medium ist der Film", sagt der dänische Filmregisseur und Drehbuchautor Nicolas Winding Refn (The Neon Demon) über Dario Argento, den italienischen Filmemacher, der ganz im Zentrum dieser Dokumentation steht. Fürwahr! Denn wer einmal einen Argento gesehen hat, dem bleiben die Bilder seines Films für immer Kopf und der Soundtrack zwischen den Ohren.
Kultregisseur der Siebziger
Dario Argento ging immer schon gerne in Hotels, um seine Drehbücher zu schreiben. Dieses Mal geht er in ein Luxushotel, eine Stunde von Rom entfernt, und wird von einem Kamerateam begleitet, deren Regisseur, Simone Scafidi, ihm Fragen zu seinen Filmen stellt. Seit dem Jahr 1970 hat Argento mit "Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe (L'uccello dalle piume di cristallo)", "Die neunschwänzige Katze (Il gatto a nove code)" und "Vier Fliegen auf grauem Samt (4 mosche di velluto grigio)" (beide 1971) für Aufsehen in der internationalen Filmwelt gesorgt. Seine Faszination für den Film begann schon früh, als Kind. Seine Mutter war eine berühmte Fotografin, die auch schon mal die Loren vor der Linse hatte. Er durfte als kleiner Junge zusehen, wie sich die Models seiner Mutter schminkten und für die Aufnahmen schön machten. Deswegen hat Argento wohl auch in seinen Filmen oft weibliche Protagonistinnen, die im Mittelpunkt stehen. "Als Matrose habe ich viele Häfen besucht", antwortet er auf die Frage nach seinen Beschäftigungen vor dem Film. Argento hatte als Filmkritiker begonnen und wurde dann selbst zum Regisseur. Zum Kultregisseur von insgesamt 23 einzigartigen Filmen. Mit Bernardo Bertolucci zusammen schrieb er das Drehbuch für Sergio Leones klassischen Italo-Western "Spiel mir das Lied vom Tod". Seine Mitwirkung an dem Horrorfilm "Dawn Of The Dead" des amerikanischen Regisseurs George A. Romero aus dem Jahre 1978 ist Legende. Argento war Produzent und Script Consultant.
Voglio essere amato
Eine der schönsten Momente der Dokumentation, ist eine Archivaufnahme des jungen Argento in der er erklärt, warum er Filme macht. Die Liebe sei in der modernen Welt (der Siebziger) einfach nicht mehr im Mittelpunkt des Universums, früher im Mittelalter hätte man sich noch unter einer Decke vor dem Feuer zusammengekuschelt und sich Geschichten erzählt, um später evtl. Liebe zu machen. Jetzt würde man sich nicht einmal mehr ansehen und nur mehr vor Kiste sitzen. Aber das Kino sei ein Ort, wo man gemeinsam mit Fremden träumen könne, eingesperrt in einen dunklen Saal, wie einst im Mutterbauch. Dafür mache man heute Filme, um das Innere zu wärmen. Oder Panik auszulösen. Der von Scafidi gewählte Titel spielt auf eine Aussage Argentos an, in der er Panik so definiert: "Wenn Angst eine Dimension erreicht, die man nicht mehr kontrollieren kann". Genau deswegen mache er Filme: Voglio essere amato. Aber ohne die Zusammenarbeit mit Goblin Claudio Simonetti („The Goblin“) wäre ihm das, was ihm vorschwebte, wohl nicht gelungen. Der Soundtrack für seine Filme ist ebenso wichtig wie die Bilder. Sein Soundtrack zu "Rosso" war vielleicht auch deswegen der meistverkaufte Soundtrack einer italienischen Band mit 4 Millionen Exemplaren. Goblin und Argento wurden in den Siebzigern quasi zu einer Trademark, die beigefügte Bonus-2-Disc-Edition mit Soundtrack-CD wird jeden Zweifler überzeugen.
Argento forever
Zuletzt glänzte er sogar auch einmal als Schauspieler. In Gaspar Noés Film - der in vorliegender Doku neben einer Vielzahl anderer internationaler Regisseure auch interviewt wird - "Vortex" spielt er einen alten Mann am Ende seines Lebens. Aber in "Panico", der Dokumentation, ist er derselbe vitale und aktive Mensch als den man ihn als Regisseur von seinen Filmen her kennt. Vielleicht etwas abgeklärt, aber stets höflich und interessiert, widmet er sich den Fragen Scafidis, der auch andere Regisseure und Produzenten in "Panico" zu Wort kommen lässt. So entsteht ein ausgewogenes und objektives Porträt eines der wohl größten italienischen Regisseure of all times. Denn er machte nicht nur in den Siebzigern des vergangenen Jahrhunderts Filme, sondern auch nach dem Millenium, im 21. Jahrhundert. Zuletzt erschienen 2012: Dario Argentos Dracula (Dracula 3D) und 2022: Dark Glasses – Blinde Angst (Occhiali neri). Außerdem werden seine Tochter Asia Argento, die selbst Regisseurin ist, seine Schwester und seine Ex-Frau Marisa interviewt. Die Regisseure Guillermo del Toro, Nicolas Winding Refn und Gaspar Noé, Michele Soavi, Luigi Cozzi kommen ebenso zu Wort. "Argento ist ein großer bildender Künstler", meint Refn, "er verkörpert sein eigenes Werk und ist seinen eigenen Weg ohne Kompromisse gegangen". Hoffentlich fand er vor lauter Interviews in dem genannten Hotel noch die Zeit, ein weiteres Drehbuch zu verfassen.
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