"Morbus Parkinson" verstehen und annehmen
Komplexe Erkrankungen verändern das Leben der Betroffenen und jener Menschen, die ihnen verbunden sind. Bis zu einer verlässlichen Diagnose gibt es oft eine Vorgeschichte, in der Symptome zwar auftreten, aber noch unzureichend erkannt und eingeordnet werden. Der bekannte TV-Moderator Frank Elstner berichtet auch von seinem persönlichen Weg als Patient. Nach und nach ist ihm deutlich geworden, dass er an Parkinson leidet, einer fortschreitenden neurologischen Erkrankung, die weit verbreitet ist und viele Formen und Verläufe, auch viele Gesichter hat. Vielen Menschen heute ist der 2005 verstorbene Papst Johannes Paul II. im Gedächtnis, der in den letzten Jahren seines Lebens von der Erkrankung sichtlich gezeichnet war. Manche mögen an den Schauspieler Michael J. Fox denken, der bereits in jungen Jahren Parkinson-Symptome hatte. Auch der mittlerweile 80 Jahre alte Frank Elstner scheut sich nicht, über die Erkrankung zu sprechen und zu schreiben – im besten Sinne: Aufklärung zu betreiben, für Verständnis zu werben und gemeinsam mit dem Würzburger Neurologen Jens Volkmann, Direktor des Würzburger Uni-Klinikums, einen Ratgeber für Patienten, Angehörige und Interessierte zu verfassen.
Elstner berichtet von seinen ersten Symptomen und den tastenden Versuchen, mit diesen medizinisch umzugehen. Wie lässt sich das festgestellte "Zittern" erklären? Es könnte auch ein essenzieller Tremor sein. Zudem beobachtete er bei sich rückblickend eine "starke Unruhe in den Beinen", das sogenannte "Restless-Legs-Syndrom". Ein weiteres Indiz für eine beginnende Parkinsonerkrankung ist das Phänomen, vermehrt auftretende "impulsive Träume" wahrzunehmen. Elstner beschreibt sich ausweitende Symptome: "Stutzig wurde ich erst, als ich registrierte, dass ich mich bei meinen Fernsehsendungen zunehmend unwohler fühlte, wenn ich beispielsweise ein Glas hochheben sollte – weil unübersehbar war, dass es deutlich zitterte. Natürlich habe ich die Ursachen dafür bei meinem Hausarzt abklären lassen, der war sich schnell sicher, dass es sich bei dem Zittern nicht um Parkinson handeln würde, und verabreichte mir einige Vitaminspritzen." Doch in Anbetracht der überschaubaren Wirkung suchte Elstner nach weiteren Meinungen, um die "Ursachen verschiedener Bewegungs- und Koordinierungseinschränkungen" abzuklären – er war an Parkinson erkrankt. Die "gute Nachricht" lautet: "Man stirbt nicht an Parkinson."
Parkinson lasse, so Jens Volkmann, sich nicht einfach erkennen und definieren. Neben den klassischen Symptomen wie Bewegungsverlangsamung, Muskelsteifheit und Zittern gebe es auch noch Einschränkungen, die subjektiv verschieden erfahren werden – dazu gehören Schlafstörungen, Ängste, Depressionen, Schmerzen oder Missempfindungen. Zugleich sind die klassischen Symptome oft nur "minimal ausgeprägt". Bei Parkinson produziere das Gehirn nicht mehr ausreichend Dopamin. Dies führt zu den veränderten Bewegungen. Jeder Parkinsonpatient habe, so sagt Elstner, "seine ganz eigenen Probleme". Professor Volkmann bestätigt das: "Die Symptome der Parkinsonkrankheit sind sehr vielgestaltig, und jeder Patient hat seine sehr eigene Kombination von bestimmten motorischen und auch nicht motorischen Problemen." Verbindend ist aber zumeist die Bradykinese, die Verlangsamung der Bewegungen, insbesondere die "feinmotorischen Fähigkeiten" sind beeinträchtigt. Die Schritte werden kleiner, manche Patienten beginnen zu hinken. Auch die Sturzneigung nimmt zu. Die Fähigkeit, "sich einfach umzudrehen", kommt abhanden und macht "eine größere Zahl von kleinen Bewegungen" erforderlich. Oft wird über ein "Maskengesicht" berichtet: "Der Betroffene lächelt nicht, zeigt scheinbar keine Freude, aber auch keinen Ärger. Für Angehörige kann das auch deswegen zum Problem werden, weil sie allmählich das dumpfe Gefühl haben, dass sich der Betroffene für nichts mehr interessiert." Die Stimme werde leiser, die Betonung gehe verloren – und das Schriftbild verändere sich.
Berichtet wird über die Medikation. Die "Dopamin-Ersatzstoffe" werden teilweise erfolgreich eingesetzt, aber oft lässt deren Wirksamkeit mit der Zeit nach. Wer an einer "Parkinson-Demenz" erkrankt ist, erlebt mit Medikamenten oft auch eine "krisenhafte Veränderung des Geisteszustandes" oder ein "Delir": "Ein Delir kann bei Parkinsonkranken im fortgeschrittenen Stadium manchmal auch durch Infekte, Operationen oder auch ganz unspezifisch durch einen Krankenhausaufenthalt ausgelöst werden. Wenn der Kranke in ein Heim eingewiesen wird und die Bezugspersonen dadurch verliert, kann das schon ausreichen."
Wichtig sind Gleichgewichts- und Wahrnehmungsübungen, um Bewegungseinschränkungen möglichst zu kontrollieren. Parkinsonpatienten sollen nicht zu schnellen Bewegungen gezwungen werden. Sie brauchen Zeit, um etwas präzise zu erledigen. Außerdem ermüden die meisten von ihnen sehr schnell. Daher wird ein "Konditionstraining" empfohlen. Wichtig sei es, die Hindernisse im eigenen Haus oder in der Wohnung zu beseitigen und für eine "sichere Bewegungsfreiheit" zu sorgen: "Das können Teppiche sein, Kabel, Schuhe, Stühle, die vielleicht plötzlich im Weg stehen, wenn man nachts beispielsweise auf Toilette muss." Auf eine "gute Beleuchtung" solle geachtet werden. Bei der Ernährung sollten Bioprodukte bevorzugt werden, Gemüse, Obst und andere pflanzliche Lebensmittel sind empfehlenswert: "Eine gute Nachricht: Das Koffein in Kaffee und grünem Tee ist ebenfalls hilfreich." Zusammenfassend rät der Ernährungswissenschaftler Claus Leitzmann, der von Elstner auch befragt wurde: "Statt stark verarbeitete Fertigprodukte und tierische Produkte zu konsumieren, lieber zu echten pflanzlichen Lebensmitteln greifen, diese dann schonend zubereiten, gründlich kauen – und genießen."
Ein Wort wie "genießen" klingt nach. Können Patienten und Angehörige wirklich genussvoll leben? Vergessen werden darf auch nicht: Schöne Augenblicke können weiterhin ausgekostet werden. Besondere Momente schenken besondere Freuden. Vieles aber bleibt schwer erträglich, herausfordernd und belastend. Vielleicht gewinnen Parkinsonkranke neue Perspektiven für ihr Leben, sehen Wege, alltägliche Situationen zu meistern. Wer sich über die Erkrankung und ihre Konsequenzen fundiert und anschaulich informieren möchte, wird mit diesem Ratgeber neue Entdeckungen machen. In jedem Fall zu loben ist die Verständlichkeit der Darlegungen. Frank Elstner berichtet zudem einfühlsam und anschaulich über seine eigenen Erfahrungen mit der Krankheit und zeigt auf eine leise Art, dass das Leben – auch mit unübersehbaren Einschränkungen – im Ganzen einfach lebenswert ist und bleibt.
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