Rituale, Gemeinschaft und kollektive Freude
Auf Demonstrationen und im Gottesdienst kann man sie erleben, ebenso wie beim Musizieren, Feiern, beim Sport und der Arbeit, immer in der Gemeinschaft mit anderen: die Communitas. Sie ist ein Begriff und Konzept aus der Ethnologie, begründet von Victor Turner. Seine Witwe ist ebenfalls Ethnologin und Autorin dieses Buches.
Was die Communitas genau ist, lässt sich nicht so einfach erklären. Turner verzichtet in ihrem Buch trotz eines wissenschaftlichen Anspruchs ganz auf eine Definition. Sie beschreibt die Communitas als etwas, das in einer Gruppe erlebt wird, deren Tun von den Mitgliedern Bedeutung beigemessen wird. Es ist eine Art Gemeinschaftsgefühl, bei der die Zusammengehörigkeit bis ins Mystische gehen könne und zu kollektiven Freudeerlebnissen führt. Mehr oder weniger intensiv hätten alle Menschen schon Communitas erlebt.
Da das Phänomen begrifflich so schwer zu fassen ist, erzählt Turner in zehn Kapiteln Geschichten aus der ethnologischen Forschung, die sich um die Communitas drehen und vermitteln sollen, was es mit ihr auf sich hat. Dabei geht es um dieses in der Wissenschaft kaum verankerte Phänomen beispielsweise auf pakistanischen Hochzeiten, auch um falsche Communitas, während des brasilianischen Karnevals, bei der Arbeit im Gulag, im Mai 1968 in Paris und in vielen anderen Situationen. Dabei wird auch aufgezeigt, welche Rolle Rituale dabei haben können.
Turner bringt 60 Jahre Forschungserfahrung mit in dieses Buch, das sich mit einem Phänomen befasst, dem in der Ethnologie wohl eher wenig Beachtung geschenkt wird, das aber gerade hinsichtlich seiner Relevanz für Gruppenprozesse interessant ist.
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