Wenn die Schatten länger werden
Madeleine steht am Fenster und schaut hinaus. Seit Tagen schneit es ununterbrochen. «So kann man unmöglich leben!», hat Peter, der um gut zehn Jahre ältere Ehemann, gesagt, bevor er Madeleine aus dem Mansardenzimmer direkt über dem Blumenladen, in dem sie arbeitete, zu sich geholt hatte. Auch nach der Hochzeit, dem Umzug in ein Haus mit Garten und der Geburt der gemeinsamen Tochter Lisa gibt Peter den Ton an, sagt, was richtig und was alles nicht möglich ist. «An deiner Stelle würde ich mehr fragen», rät Freundin Annette, doch Madeleine lässt mit sich geschehen, tut sich schwer mit eigenen Entscheidungen. «Es ist nicht so einfach», entgegnet sie.
Christina Frosio, 1963 in Zürich geboren und heute wohnhaft in Bern, erzählt in ihrem Debüt «Noch ist nicht Herbst» ein Jahr aus dem Leben einer Frau, die zwar mittendrin, aber doch immer mehrere Schritte abseits steht. Wären da nicht die elfjährige Tochter, die Gartenarbeit und der Markt, wo Madeleine an einem Stand Blumen verkauft und manchmal von Fred, Peters Sohn aus einer früheren Liebschaft, zum Schwimmen im Fluss abgeholt wird - sie würde untergehen.
So schwer es Madeleine auch fällt, ihre Bedürfnisse nach aussen zu kommunizieren - den eigenen Körper nimmt sie genauestens wahr, pflegt, hegt und beobachtet ihn wie eine ihrer geliebten Pflanzen draussen im Garten - hat ihr nicht Peter vorausgesagt, dass sie eingehen, verwelken wird wie eine Blume? Doch noch ist nicht Herbst, gerade erst vorbei der Winter (und mit ihm der erste von vier Teilen, die nach den Jahreszeiten benannt sind), es ist Frühling und Fred taucht auf, ein heisser Sommer wird kommen, Madeleine sich verlieben und heimlich mit Fred für ein verlängertes Wochenende nach Paris fahren. «Pass auf dich auf», wird Annette ins Telefon flüstern, und Madeleine antworten, «ich versuche es», ohne genau zu wissen, was sie Annette überhaupt versprechen soll. Irgendwann wird es zu spät sein, denn Blumen verwelken, Schatten werden länger.
Die Frage, warum es ausgerechnet Fred ist, der Madeleine aus ihrer Ohnmacht weckt, über Wasser hält und aufblühen lässt, drängt sich unweigerlich auf, immerhin ist der Jüngling, der in Kalifornien aufgewachsen und nun ein paar Monate in der Schweiz verbringt, Madeleines Stiefsohn und Lisas Halbbruder. Erklärungen findet Madeleine auch im Nachhinein keine, sie weiss nur, dass die Affäre - im Gegensatz zu fast allem, was ihr bisheriges Leben geprägt hatte - gewollt, von Anfang an gewollt war. Doch sind die plötzliche Gelegenheit, Peters Dominanz und Freds liebevolle Zuwendung effektiv die Erklärungen für eine derart radikale Abwendung von Peter oder steckt unbewusst Vergeltung, gar heimliche Rache an Peter dahinter?
Frosio wäre nicht Frosio, wenn sie diese und andere Leerstellen mit eindeutigen Antworten erschlösse - viel mehr spannt sie aus den verschiedenen Möglichkeiten ein Netz, das der Geschichte bis zum Schluss standhält und selbst den Leser nie fallen lässt. Bereits in den Kurzgeschichten, die seit 2006 in Zeitschriften und Anthologien veröffentlicht worden sind und mit denen Frosio mehrere Wettbewerbe gewonnen hat (zuletzt stand sie mit der Kurzgeschichte «Richtung Süden» im Finale des Treibhaus-Wettbewerbs, der unter der Schirmherrschaft von Hildegard Keller, Kritikerin im Literaturclub SRF, durchgeführt wurde), lassen Frosios stille Helden meist etwas ratlos zurück und bestätigen - in einer unaufgeregten und schnörkellosen Sprache -, dass gegen das tägliche Scheitern niemand vollständig gefeit ist.

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