Der junge Caravaggio in Rom
Manara stelle uns Caravaggio mit einer Art Hyperhedonismus in den Umgangsformen vor, so Strinati, Direktor des Verbandes der Museen der Stadt Rom, "und einer magischen Faszination für alles, was es zu sehen gibt. Alles, was uns Manara zeigt, ist Verwunderung, Staunen". Manara ist ein Visionär (so wie Caravaggio), "der uns eine glaubwürdige und kohärente Geschichte erzählt" und macht uns so grundsätzliche Prinzipien der Kunst verständlich". Manara ließe gleichsam vor unseren Augen einen "leidenschaftlichen und kraftvollen Charakter entstehen, der zwar gewiss Parallelen zu dem Caravaggio aufweist, den wir aus Kunstgeschichtsbüchern kennen, aber der auch sein ganz eigenes Leben lebt, dessen Authentizität der Evidenz der Werke zu entspringen scheint, die dieser große Maler geschaffen hat".
Von Obst und Gemüse
Manara selbst hat seine "Graphic Novel" Annuccia gewidmet, der Prostituierten im roten Kleid, die man später tot im Tiber finden wird. Tatsächlich hat sich Caravaggio im Milieu des Rotlichtviertels bewegt, denn auch das gab es damals schon in der ewigen Stadt, die ihre Tore zwar nicht jedem öffnete, für einen gewissen Tribut aber durchaus bereit war, mit sich verhandeln zu lassen. Mit viel Zynismus ist diese erste Szene versehen, in der ein Bauer und drei Dirnen versuchen, Einlass in die große Stadt zu bekommen, denn beide wollen ihre "Brötchen" verkaufen, der eine sein Gemüse, die anderen ihr "Obst". Dass der Pförtner nur mehr eine Kutsche an diesem Tag durch die Pforte lassen darf, gereicht ihm zum Vorteil. Aber auch hier beweist sich der junge Caravaggio schon als sehr couragiert, weiß er doch, wie man die offiziellen Wege umgeht und so dennoch zu seinem Ziel kommt.
Licht und Schatten
In der Stadt selbst darf er vorerst zwar nur Obst und Gemüse zeichnen, doch sein wahres Talent lässt sich nicht lange verbergen, auch sein Meister gibt schließlich auf und muss die größere Begabung seines Schülers anerkennen. Dieser treibt sich in Spelunken und Hurenhäusern rum, ohne selbst je davon befleckt zu werden, denn er bewahrt sich ein reines Herz. Seine Sauftouren dienen allein Charakterstudien und er bewahrt sich seine Bilder im Kopf, um sie später aufzuzeichnen. Dabei interessiert ihn vor allem das Licht, denn Caravaggio ist der Meister des Schattens, keiner beherrschte ihn so gut wie er. Aber bald wird der Schatten auch ihn beherrschen, denn sein loderndes Herz kennt nur brennende Leidenschaft und so wird er unverhofft zum Rächer der ertrunkenen Dirne, die er als Maria für die Nachwelt porträtierte. Stets unter dem Druck der Zensur durch die katholische Religion und den Papst, gelang es Caravaggio doch, seine Wahrnehmung der Wirklichkeit für die Ewigkeit festzuhalten. Wo viel Licht, da gibt es auch viel Schatten. Und Caravaggio wird so zum Mörder, wie er lebte: für die Würde jedes Menschen, mit aller Leidenschaft.
Lodernde Flamme der Leidenschaft
"Ho visto al pianto mio risponder per pietate i sassi e l’onde, es sospirar le fronde ho visto al pianto mio. Ma non ho visto mai né spero di vedere…Voi sapete ch’io v’amo, anzi v’adoro, man non sapete già che per voi moro. Ché, se certo il sapeste, forse di me qualche pietate avreste…" (Ihr wisst, dass ich Euch liebe, ja anbete, aber noch wisst Ihr nicht, dass ich für Euch vergehe, denn wüsstet Ihr dies, würdet Ihr Euch vielleicht meiner erbarmen. Aber sollte Euch zu meinem Glücke doch kümmern, welch Qual mir das lodernde Feuer bereitet, werdet Ihr erkennen, wie es mich Zug um Zug verzehrt.), heißt es in einem Madrigal von Jacob Arcadelt aus dem Jahre 1539, das Caravaggio mit "Der Lautenspieler" bebilderte. Worte, die gleichsam als Programm für das Leben des Künstlers gelten könnten.
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