Dylan für Einsteiger und Experten
Am 24. Mai wird Dylan 75 Jahre alt. Dann wird wieder der eine oder andere Dylanologe sein Wissen an ein zutiefst gespaltenes Publikum loszuwerden versuchen. Nötig ist das kaum. Es gibt zum Glück bereits zwei ziemlich gute Werke, die sich mit dem Gegenstand auseinanderzusetzen. Oder sollte es besser heißen: mit dem Meister? Dylan wird entweder tiefe Verehrung oder noch tiefere Verachtung zuteil. Zwischentöne gibt es kaum.
Michael Endepols gehört zweifelsohne zu den Dylan-Anhängern. Doch unterscheidet sich sein A bis Z wohltuend von den unreflektierten Lobeshymnen, die vor allem die Abteilung Rock & Pop des Buchmarkts immer wieder heimsuchen. Überhaupt scheint, wer sich einen Überblick über das Gesamtkunstwerk Bob Dylan verschaffen will, im Reclam-Verlag bestens aufgehoben.
Dort ist, pünktlich zum vollendeten Dreivierteljahrhundert des Meisters, die fünfte, überarbeitete Auflage von Heinrich Deterings Dylan-Biografie erschienen. Sie ist kritisch, kenntnisreich, kunstvoll formuliert; in einem Wort: lesenswert. Schon der erste Halbsatz trifft ins Schwarze: "'Bob Dylan': das ist der Name einer Kunstfigur …" Anschließend zitiert der Autor den schwer zu fassenden Künstler mit den Worten: "I'm Bob Dylan only if I have to", um im weiteren Verlauf die daraus resultierende Frage "Wer aber ist er, wenn er nicht Bob Dylan ist?" überzeugend zu beantworten. Das kann nur jemand, der bei aller Sympathie zum Sänger stets die journalistisch notwendige kritische Distanz einhält - ohne sich in den Ansprüchen zu versteigen.
Bei Endepols' A bis Z ist es nicht anders. Er beginnt bei den Wurzeln Dylans: A wie Awobbopaloobop Alopbamboom steht für den Rock'n'Roll, B (etwas einfallslos) für Blues. Das ABC endet mit Z wie Zappa. Warum Zappa? Der gute Frank hat auf Sheik Yerbouti mit Flakes eine wunderbare Dylan-Parodie hingezaubert und gezeigt, dass nicht immer nur Bob Dylan auch der beste Bob Dylan-Parodist ist (sondern in diesem Fall Zappas Gitarrist Adrian Belew mit authentischer Nölstimme und nicht weniger perfektem Mundharmonikaspiel). Nun wurde Sheik Yerbouti zu einer Zeit veröffentlicht, als Dylans Karriere gehörig durchhing. Daher ist Zappas Ulknummer, übrigens um Längen besser als Bobby Brown auf demselbem Album, nur allzu gerechtfertigt.
Es gab natürlich immer wieder Höhen in Dylans langer musikalischer Laufbahn. Auch ihnen wird Endepols in seinen 56 Beiträgen gerecht, ohne die Tiefen auszusparen. Er erinnert an das Newport Folk Festival und den Auftritt auf der Isle of Wight. Das ist natürlich jedem Dylan-Fan geläufig. Endepols kramt aber auch die leicht in Vergessenheit geratenen Momente aus, etwa die Rolling Thunder Revue 1975, die Dokumentarfilme Don't Look Back oder Eat the Document, den Western Pat Garrett & Billy the Kid, den Versuch (oder wie immer man es nennen will) Renaldo and Clara oder, wer erinnert sich, das BBC-Fernsehspiel Madhouse on Castle Street.
Endepols" A bis Z eignet sich sowohl für Dylan-Einsteiger als auch für Dylan-Experten. Anlass zur Kritik gibt es ebenfalls. Aber er hält sich in Grenzen. Gleich beim Buchstaben B allerdings wird nicht nur der Schreiber dieser Zeilen einen Eintrag vermissen: Zwischen 'Baez, Joan' und 'Belafonte, Harry' fehlt eindeutig 'Band, The'. Das Quintett, das Dylan lange Jahre bei seinen Konzerten begleitete, für die berühmten Basement Tapes mitverantwortlich und maßgeblich am Zustandekommen von Planet Waves und Before the Flood beteiligt, geht hier leer aus. Noch schlimmer: Die Band wird im Buch allenfalls passim erwähnt und taucht nicht einmal im Personenregister auf (nur Robbie Robertson hat einen einzigen Vermerk, Levon Helm, Garth Hudson, Richard Manuel und Rick Danko finden überhaupt nicht statt).
Doch soll die Rezension des A bis Z angemessen mit etwas Positivem beschlossen werden. Im Eintrag "TTRH" fasst Endepol das Phänomen, dem er sich anzunähern versucht, in einem Satz zusammen: "Was an Dylan immer wieder beeindruckt, ist die Tatsache, dass er auch nach ungefähr einem halben tätigen Jahrhundert noch für eine Überraschung gut ist."
Als Beleg führt der Autor die Theme Time Radio Hour an. Hundert Folgen strahlte der nichtkommerzielle Sender XM Satellite Radio aus. Zu allen möglichen und unmöglichen Themen wie Wetter, Autos, Hunde, Gefängnis, Trinken, Blut, Mond, Wasser, Gefahr, Heirat oder Scheidung wurde "des alten Knaben Wunderhorn" (Heinrich Detering) ausgeschüttet. An die 2'000 Songs spielte Dylan im Verlauf der Sendungen, von Interpreten so verschiedener Stilrichtungen wie Blues, Country, Folk, Gospel, HipHop, Jazz und Rap. Und natürlich Rockmusik. Seine Kriterien an die Auswahl sind ein Spiegel des eigenen Schaffens, denn immer wieder bediente sich Dylan in seinen Werken der Musikgeschichte als Steinbruch. Das ist legitim, zumal Dylan stets brav zitiert und die Quellenangabe nie vergessen hat. "Es gibt so viel tolle Musik", verriet er den TTRH-Hörern, "ihr müsst sie nur finden. Und ich zeige euch jetzt, wo sich die Suche lohnt." So lässt sich übrigens auch Endepols" A bis Z verwenden.

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