Politische Vereinnahmung durch Sprache
In diesem Buch führt die Linguistin Wehling quasi ein langes Interview mit dem Kognitionswissenschaftler und Linguisten Lakoff. Der geht davon aus, dass das Denken rein physisch begründet ist und die Art wie wir denken von unseren Erfahrungen geprägt ist. Sie bestimmen, welche Synapsen mit anderen Synapsen besonders oft verbunden werden, welche Kanäle und Straßen besonders ausgebaut sind und formen so unser Denken und unsere Vorstellungen von der Welt.
Vermittelt werden diese Erfahrungen oft durch Sprache, in der diese Bilder meist nicht explizit gemacht, sondern in Metaphern versteckt werden. Diese Metaphern prägen unbewusst die Weise wie über etwas gedacht und in der Folge gehandelt wird. So ist es beispielsweise ein Unterschied, ob jemand die Metapher Liebe als gemeinsame Reise im Kopf hat, in der es voran gehen und gemeinsame Ziele erreicht werden sollen, oder eher Liebe als Partnerschaft, in der Lasten und Gewinne geteilt werden sollen, oder andere Bilder von Liebe. Im Buch geht es jedoch nicht um Liebe, sondern um politische Sprache und deren Wirkung. Neben bewusst eingeführten Metaphern, die die Art und Weise, wie über etwas gedacht wird, beeinflussen sollen, gibt es auch sogenannte "Frames", die Deutungsrahmen. "Steuererleichterung" ist so einer. Denkt man innerhalb dieses Deutungsrahmens, gelten Steuern als Last, die abgenommen werden soll. Wer für Steuererhöhungen ist, sollte dementsprechend nicht diesen Deutungsrahmen nutzen, auch wenn seine faktenreichen Argumente überzeugend sein mögen - die würden ansonsten nämlich einfach ausgeblendet.
Das Buch ist dank seines interviewartigen Aufbaus kurzweilig zu lesen. Lakoff analysiert treffend und kritisch den politischen Sprachgebrauch, allerdings mit einem klaren Schwerpunkt auf die Auseinandersetzungen in den USA, insbesondere um den Terror und konservative Wertvorstellungen. Vieles lässt sich jedoch auf die bundesdeutschen Verhältnisse übertragen. Manchmal scheint er jedoch zu dick aufzutragen, zum Beispiel wenn er in den WTC-Türmen Personen sieht, die von Pistolenkugeln getroffen werden und bluten. Das soll dann Menschen auf der ganzen Welt tief berührt haben. Dennoch lohnt sich die Lektüre, auch wenn viele seiner Analysen den Lesern nicht grundsätzlich neu oder unbekannt sein dürften.
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