Jérôme Bonnell: Auf die Freude/ À la joie

Eine überschwengliche Liebe

Die Pandemie ist zwar noch nicht ganz vorbei, aber Regisseur Jérôme Bonnell hat ihr bereits vier Jahre später mit "À la joie" ein bemerkenswertes Denkmal gesetzt. Um nichts weniger als die Liebe zwischen zwei Personen in Zeiten von Covid-19 geht es in seinem Film, der nicht nur die Liebe, sondern auch das Leben feiert.

Véra (Amel Charif) ist eine junge Anwältin aus Montpellier, die aufgrund der Ausnahmegesetze der Pandemie in Paris stecken bleibt. Sie organisiert sich die Wohnung ihrer Freundin Hortense und arbeitet von dort aus, quasi als Teleworkerin, mit ihren Klienten. Da Hortense selbst gar nicht da ist, ist Véra alleine in der Wohnung, bis sie den Nachbarn, Sam (Pablo Pauly), auf eine etwas ungewöhnliche Weise kennenlernt. Aufgrund ihres Stresses stößt sie sich in der Wohnung an dem Eck einer Kastentüre den Kopf so stark, dass sie schnell zu bluten beginnt. In ihrer Panik ruft sie auf die Straße hinaus, wo gerade Sam vorbeiläuft. Da es aber immer noch die Abstandsgesetze gibt, verläuft die Begegnung zunächst etwas seltsam. Doch dann beginnt Sam sie am Kopf zu verbinden und die ersten Berührungen - seit langer Zeit - sind für beide eine Wohltat. "Démarre alors une passion torride" (Dann beginnt eine glühende Leidenschaft) heißt es im Original Pressetext und aufgrund seiner lautmalerischen Klangqualität empfehle ich ein lautes Lesen desselben. Denn die Chemie, die zwischen den beiden entsteht, schwappt ebenso über, wie sich "démarre" auf "torride" reimt: überschwenglich. Was zwischen den beiden entsteht, ist eigentlich nur in den eindringlichen Bildern des Kameramanns Pascal Lagriffoul zu beschreiben. Sam und Véra setzen nicht nur die Abstandsregeln und Maskenpflicht außer Kraft, sondern auch die Gesetze der Schwerkraft. Wie das Liebe im Allgemeinen eben macht.

Ode an die Freude, die Liebe

Die Liebe, die zwischen den beiden in dem von der Außenwelt abgeschotteten Apartment entsteht, ist nur mit einer Szene aus dem letzten Tango von Paris (R: Bertolucci) vergleichbar. Eine selten erfahrene Intimität, die in dem Satz gipfelt, dass nur das existiere, was zwischen den beiden in diesem Raum entstehe. Aber dann macht es "PAFFF!" und alles löst sich auf. Denn Sam erkrankt plötzlich an Covid und muss mit der Rettung ins Krankenhaus gebracht werden ... Dass Véra nicht einmal den Nachnamen von Sam kennt, ist nur eine der verständlichen Kapriolen angesichts der Katastrophe. Regisseur Jérôme Bonnell versteht es, ein Kammerspiel zwischen zwei Personen, Mann und Frau, derart pointiert zu gestalten, dass es uns alle angeht. Denn die Auflösung der Katastrophe ist derart niederschmetternd, dass man seine Protagonistin Véra nur bewundern kann, wie sie die Situation meistert. Vielleicht ist es die unglaubliche Kraft der Liebe, die sie mit Sam erlebt hat, die sie bewältigen lässt, was erst unbewältigbar erscheint. Die Intimität der gezeigten Momente ist nicht allein körperlicher Natur, sondern geradezu ätherisch. Die Freude, die Sam empfindet, als er vor ihr auf dem Bett tanzt und herumtollt, drückt den Überschwang an Liebe aus, der sich zwischen den beiden auf magische Weise entfaltet. "Auf die Freude" ist seither nicht mehr nur der Name der Europahymne, Beethovens Neunte, Ode an die Freude, sondern der Inbegriff für einen Film, den es an Schönheit und Freude erst einmal zu überbieten gilt. Dass das Ganze dann nicht gut ausgehen kann, weiß man ohnehin aus eigener Erfahrung. "Diesen Kuss der ganzen Welt/Der ganzen Welt, der ganzen Welt."

Verlosung
Wer weiß, auf was sich der letzte Satz bezieht und an jrw@rezensionen.ch schreibt, kann eine DVD des Filmes gewinnen!
Auf die Freude/ À la joie
Auf die Freude/ À la joie
Laufzeit: 104 Minuten
EAN 4042564243413

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