Der untypische Wiener
Arthur Schnitzler gilt als die bedeutendste Gestalt der Wiener Moderne, als berühmtester und typischer Vertreter der Wiener Belle Époque. In seinen Werken spiegelt sich das Milieu dieser Epoche wieder, weshalb die Versuchung groß ist, Schnitzler klischeehaft seiner Zeit gleichzusetzen. Schnitzler selbst gehörte zu den kritischsten Interpreten der Wiener Moderne. Jacques Le Rider, Professor für deutsche Kulturgeschichte an der École pratique des Hautes Études in Paris und Spezialist für die Wiener Jahrhundertwende, beleuchtet in seiner Studie Schnitzler, seine Werke und zentralen Themen kritisch im Zusammenhang seiner Epoche.
Arthur Schnitzler wurde 1862 in Wien als Sohn eines jüdischen Facharztes für Kehlkopferkrankungen geboren. Nach Studium und Promotion war er, nicht zuletzt auf Wunsch seines Vaters und in Ermangelung einer eigenen Zukunftsperspektive, bis 1884 als Arzt tätig. Bereits seit seiner Jugend war Schnitzler literarisch aktiv, zeitlebens ist er zudem ein pedantischer Tagebuchschreiber und eifriger Verfasser von Briefen gewesen. Für die Literatur gab er die Medizin auf, schon lange ahnend, in ihr seine wahre Bestimmung gefunden zu haben.
Seine Werke gehören seit Anfang des 20. Jahrhunderts zu den meistgespielten auf deutschen Bühnen. Arthur Schnitzler polarisiert mit Themen wie den Grenzgängen des Seelischen, der Suche nach der eigenen Identität im Anderen, Sexualität, Psychologie und dem verwischen von Traum und Realität. Immer ist seine Arbeit Wien, seinen Menschen und seiner Gesellschaft verhaftet, immer hinterfragt Schnitzler die Welt, in der er lebt, und blickt hinter die Fassade dieses ihm oft zu eng erscheinenden Mikrokosmos.
Jacques Le Rider nähert sich dem Schriftsteller Schnitzler über eine Analyse von dessen Lebensraum und seinen Zeitgenossen wie Hugo von Hofmannsthal oder Karl Kraus. Er zeigt Arthur Schnitzler zwar als Wiener, aber nicht als typischen Wiener, sondern als Menschen, den mit seiner Stadt immer eine Hassliebe verbunden hat. Le Rider baut in seiner Studie immer wieder Kontraste auf, er stellt Schnitzler in seinen Facetten oft in einem "Zwischen" dar, ganz so, wie der Schriftsteller den Menschen auch selbst gerne sah. Kontraste machen die Persönlichkeit des "illusionslosen Moralisten" deutlicher. Chronologisch beleuchtet Le Rider das Leben und Schaffen Schnitzlers, seine Weggefährten und Themenkreise. Dazwischen finden Werkanalysen Platz, immer mit Fokus auf Literarisches, Psychologisches und Zeitgeschichtliches.
Als kritischer Zeitgenosse Sigmund Freuds interessiert sich Schnitzler für die Abgründe der Seele und des Traums, wenn auch im Gegensatz zu Freud nicht in den engen Grenzen einer Traumdeutung. Er gehörte zu den ersten Lesern der 1899 erschienenen Traumdeutung, ebenso ist Freud ein begeisterter Leser von Schnitzlers Werken. Die beiden Zeitgenossen verbindet, wie Freud Schnitzler in einem seiner wenigen Briefe gesteht, ein Zwillingsdasein, weshalb Freud den Schriftsteller immer "aus einer Art Doppelgängerscheu" gemieden habe.
Das bisherige Forschungsvorgehen zielte immer auf ein Herausstellen der Gemeinsamkeiten beziehungsweise Unterschiede zwischen Freud und Schnitzler ab. Dabei galt es auch, die Art der gegenseitigen Beeinflussung und die Beziehung des Psychoanalytikers und des Schriftstellers zu verdeutlichen. Jacques Le Rider zeigt gerade in dem Beleuchten der Freud/Schnitzler-Beziehung einen bemerkenswerten neuen Ansatz. Er strebt keinen Vergleich zwischen Freud und Schnitzler an, ist nicht an der gegenseitigen Beeinflussung interessiert, sondern spricht von einer Gleichzeitigkeit der Freudschen Theorie und der Texte Schnitzlers. Jacques Le Rider fordert zu einer neuen Fragestellung an, er ändert die Denkrichtung, indem er darauf verweist, nicht nur den psychologisch motivierten Motiven in der Literatur nachzuspüren, sondern fordert dazu auf, die Frage nach dem Wirken des Literarischen im Psychologischen zu stellen. Es ist diese neue Perspektive, die Le Riders Studie von anderen wissenschaftlichen Publikationen über Arthur Schnitzler abhebt, nicht der Themenkreis selbst.
Le Rider setzt andere Schwerpunkte, indem er die Wiener Belle Époque zum Ausgangspunkt macht. Somit ist seine Publikation nicht nur für Schnitzler-Kenner von Interesse, sondern auch für diejenigen, die sich einen wissenschaftlich fundierten sowie detailbedachten Überblick über Arthur Schnitzlers Leben, Schaffen und Nachwirken machen möchten.
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