An den Früchten erkennt man den Baum

Das katholische Paralleluniversum

Der deutsche Synodale Weg der Kirche bot von Anfang an ein mediales Spektakel – und gläubige Katholiken rätselten ebenso wie Agnostiker über den Sinn dieser mehrjährigen Diskursveranstaltung, die besonders von den öffentlich-rechtlichen Medien beachtet und wohlwollend begleitet wurde. Religionswissenschaftlich betrachtet war dieses eigenwillige und auch narkotische Revival von kirchlichen Reformideen aus den 1970er-Jahren unerheblich, aufs Ganze gesehen eher mediengeschichtlich interessant als theologisch bemerkenswert. Kleriker und Weltchristen huldigten auf dem deutschen Synodalen Weg im Wesentlichen den Ideen der „Humanwissenschaften“, die auf den französischen Soziologen Michel Foucault zurückgehen. Die Lehre der Kirche wurde nur noch als randständig betrachtet. In der katholischen Wochenzeitung „Die Tagespost“ wurden kritische Beiträge zu dem Ereignis publiziert, die in diesem Band zusammengestellt sind.

Guido Horst benennt eine „genau inszenierte Sitzungsstrategie“. Die Gläubigen seien durch die ganze Veranstaltung verunsichert worden. Gefragt werden darf aber, ob die einfach gläubigen Katholiken dieses Frankfurter Medienereignis überhaupt beachtet und ernst genommen haben. Ursprünglich sollte der Missbrauchsskandal der katholischen Kirche aufgearbeitet werden. Ursächlich dafür verantwortlich gemacht wurden sowohl die Sexuallehre der Kirche als auch der Pflichtzölibat für Priester. Die ursächliche Verknüpfung kann behauptet werden, wie alles andere auch, aber deswegen muss es noch niemandem einsichtig sein, der mit gesundem Menschenverstand die Problematik sich vor Augen führt. Parallel zum Synodalgeschehen wurde der Missbrauchsbericht der evangelischen Kirche publiziert. Horst schreibt dazu: „In den evangelischen Kirchen steht die Synode über dem Landesbischof, es gibt kein Weihesakrament, Frauen können Pastorinnen sein, Pastorinnen und Pastoren können heiraten oder in homosexuellen Beziehungen leben; in Bezug auf Sexualität gibt es keine moralischen Vorgaben, und man ist offen für alle möglichen anthropologischen Gender-Ideen. Das alles hat den sexuellen Missbrauch in den evangelischen Kirchen nicht verhindern können.“

Der Heilige Geist wird durch den Zeitgeist ersetzt, im Namen von Freiheit und Autonomie.

Nun aber wurden und werden Widerworte gegen die Gendertheorie und ihren Absolutheitsanspruch mittlerweile auch im katholischen Gremienmilieu kaum noch geduldet oder zumindest als Meinung gebilligt. Wer dem Mainstream nicht huldigt, ist fortschrittsfeindlich. Zwar finden sich in der Bibel keinerlei Ansatzpunkt für die neuen Lehrmeinungen, aber das scheint niemandem zu kümmern, argumentieren die neuen Reformatoren doch im ostentativ bekundeten Gestus der Freiheit. Dies aber wird von den Autoren dieses Bandes als Beliebigkeit markiert. Engelbert Recktenwald, Philosoph, Kant-Kenner und Priester, weist die Apologie des Relativismus zurück und schreibt: „Eine Theologie, die das Wort des Herrn von der freimachenden Wahrheit zur Bedeutungslosigkeit verurteilt, entfernt sich vom Evangelium.“ Vertreter der Kirche in Deutschland wollen also, mit Leidenschaft, Anstrengung und Selbstbewusstsein, Reformanliegen durchsetzen, aber tatsächlich handelt es sich um eine Entkernung der Botschaft des Evangeliums. Der Heilige Geist wird durch den Zeitgeist ersetzt, im Namen von Freiheit und Autonomie. Franz-Josef Bormann beklagt bei den Debatten zur Reform der Sexuallehre das „Reflexionsniveau der theologischen Debatte“. Er schreibt über den Text „Leben in gelingenden Beziehungen“: „Der Text changiert zwischen kruden naturalistischen Fehlschlüssen und einem Freiheitsverständnis, das basale anthropologische Bestimmungen grundlos relativiert und den normativen Unterbau einer überzeugenden Orientierung am Ideal verlässlicher liebender Partnerschaftlichkeit einem gefährlichen Erosionsprozess aussetzt.“

Die Analysen, die in diesem Band publiziert sind, zeigen das Elend der Theologie in Deutschland, aber auch den Status einer erschöpften Kirche, die wie eine NGO agiert, noch immer im steuerfinanzierten Wohlstand lebt und sich solche Debatten offenbar leisten kann.

Philippe Vallin, der französische Beobachter des Synodalen Weges, konstatiert eine gefährliche „radikale Anthropozentrik: Die Vorschläge des Synodalen Wegs zur Reform der kirchlichen Sexualmoral sprechen vom Leiden derer, die zu Opfern eines moralischen Rigorismus und einer neurotisierenden Sexualerziehung wurden; sogar von lehramtlich verordneten Menschenrechtsverletzungen. Das entsprechende Papier ersetzt den Primat des Objektiven durch den Primat des Subjektiven. Mir scheint diese Strategie wie ein Baum, der den Wald verdeckt.“ Die Publizistin Birgit Kelle diagnostiziert die Etablierung einer „willkürlichen neuen Moral“, die nichts mehr mit dem Glauben, mit dem Evangelium und mit „Antworten auf die Sinnfragen des Lebens“ zu tun habe: „Die katholische Kirche legt sich gerade zum freiwilligen Sterben hin.“

Die Analysen, die in diesem Band publiziert sind, zeigen das Elend der Theologie in Deutschland, aber auch den Status einer erschöpften Kirche, die wie eine NGO agiert, noch immer im steuerfinanzierten Wohlstand lebt und sich solche Debatten offenbar leisten kann. Die Thesen und Einschätzungen der Autoren in diesem Aufsatzband bergen Diskussionsstoff und setzen ein deutliches Fragezeichen hinter den Synodalen Weg, der in den letzten Jahren medial stark beachtet wurde. Warum eigentlich?

An den Früchten erkennt man den Baum
An den Früchten erkennt man den Baum
Der Synodale Weg als Scheideweg
240 Seiten, broschiert
EAN 978-3791735665

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