Eine bitterböse Abrechnung
Das moderne Amerika steht ganz im Mittelpunkt dieser zwischen 1975 und 1992 erschienenen Comic Strips von Enfant terrible Robert Crumb. Der Erfinder von Fritz, the Cat, der seine Schöpfung am Höhepunkt seines Erfolges mit einem Eispickel ermorden ließ und sich nach Südfrankreich absetzte, erklärt in vorliegendem Band, was genau er am modernen Amerika so hasst und wohl auch warum er sich ins Exil absetzte.
Ein paar offene Worte über unser modernes Amerika
"Sehnt sich Amerika nach straffer Disziplin? Haben die Menschen die moralische Aufweichung satt? Wird ein neuer großer Führer erscheinen, der uns sagt, was wir tun sollen?", alles Fragen, die man sich auch heute noch stellt. Der Strip "Ein paar offene Worte über unser modernes Amerika", aus dem das Zitat stammt, erschien 1981 bei Zweitausendeins das erste Mal auf Deutsch und hat nichts von seiner Aktualität verloren, ebensowenig wie die ökologischen und umweltbezogenen Hinweise, auf die Robert Crumb darin aufmerksam macht. Ob es denn nicht auch etwas Positives an diesem modernen Amerika gäbe? Aber klar doch: "Für morgen ist schönes Wetter angesagt; aber ich würde mich allerdings nicht in die Sonne legen...das ist nämlich ungesund." Auf einem Kongress für Weltraumfreaks bleibt das Alter Ego des Autors am liebsten im Hotelzimmer, denn er weiß jetzt schon, dass das Militär die ambitionierten Space-Pläne übernehmen wird und nichts für die Menschheit überbleiben wird. Der Traum ist aus? Schon damals wurde Robert Crumb durch seine Comics zur Stimme des schlechten Gewissens, denn trotz all der Hippie-Seligkeit der Sechziger und Siebziger, segelte der vielbeschworene Planet Erde bereits damals in seinen wohl (un-)verdienten Untergang. Zumindest dessen Bewohner, denn Crumb lässt als erklärter Misanthrop vor allem Fabelwesen über den Zustand der Welt räsonieren. Da wäre abgesehen von dem vielzitierten Kater Fritz, the Cat auch Frosty, der Schneemann, dann die Ruff-Tuff Cream-Puffs, eine Bande aus dumpfen Nilpferden, sowie Hü Perle und Al E. Gory, die über die Zukunft des Planeten räsonieren und allesamt einen ziemlichen Dachschaden davon getragen haben dürften. Vielleicht auch ein gewisser D. Trump, der in einem der Comic Strips von Crumb in diesem Band auftaucht?
Crumb vs. Trump
In "Den Finger drauf" kommt derselbe Donald Trump nämlich zu Wort und Bild, der damals noch als Immobilien-Mogul das Home of the Brave unsicher machte. Crumb charakterisiert seinen Trump als durchaus cholerischen Charakter, der aber auch über genügend Geschäftssinn verfügt, selbst aus einer Niederlage noch einen Gewinn zu machen. Erst macht er zwar dem Alter Ego Crumbs seine Leibwächterinnen, Tracy und Marny, abspenstig, aber dann wird in einem "alternativen Ende" - ganz wie Trump es mag - doch noch der Geist der Sechziger beschworen und die beiden Verbündeten Crumbs tauchen schlussendlich doch Trump in die Kloschüssel, während Crumb bei Tracy und Marny wieder "oben auf" ist. Die beiden Damen haben sich eben nicht von Trumps Reichtum korrumpieren lassen und stehen lieber Crumb zur Verfügung. Ein Match, dass sich heute noch beliebig wiederholen ließe.
Bleibt noch der vielfach wiederholte Vorwurf des Rassismus und Sexismus, dem Robert Crumb (und Donald Trump) immer wieder ausgesetzt waren, zu entkräften. Jean-Pierre Mercier erklärt in einem lesenswerten Nachwort in vorliegendem Band, wie es dazu kam, dass Robert Crumb diese Attribute immer wieder unterstellt werden. Dabei sind es doch eigentlich seine Figuren, die "Fabelwesen", die diverse vermeintlich zu cancelnde Aussagen tätigen und nicht Crumb selbst. Schließlich schrieben sich die Zap Comix in denen Crumb seit den Sechzigern veröffentlichte von Anfang an mit "X" und dieses X markiert den Übergang des 1954 erfundenen Comic-Codes zum X-rated Comic: Comix für Erwachsene. Und da Erwachsene doch so etwas wie einen Sinn für Ironie, Sarkasmus und Zynismus haben sollten, sollen Robert Crumbs Comix durchwegs auch in diesem Sinne verstanden werden. Wer also "Wenn die Nigger/Juden an die Macht kommen", zwei Geschichten aus dem Jahre 1992, liest, sollte bedenken, dass Robert Crumb als Sammler alter Bluesplatten selbstverständlich über jeden Zweifel erhaben ist. Nur Nilpferde verstehen eben keinen Humor.
Eine bitterböse Abrechnung mit dem amerikanischen Traum(a) anhand von Strips, die zwischen 1965 und 1996 entstanden und aktueller nicht sein könnten. Mit einem Nachwort von Jean-Pierre Mercier.
Comic-Schwergewicht
Avengers. Vol. 2. 1965–1967 erscheint wie der Vorgänger in der Marvel Comics Library bei Taschen im XXL-Format.
Avengers. Vol. 2. 1965–1967Hinterlistiger Guru
Mr. Natural ist neben 'Fritz, the Cat' Robert Crumbs bekannteste Figur. Aufgrund des 80. Geburtstags des Underground-Künstlers 2023 neu erschienen.
Mr. NaturalEin Denkmal für die Bluesmen
Mister Nostalgia ist eine Sammlung von Kurzgeschichten, die sich um den Blues-Folk der Zwanziger drehen. Robert Crumbs Obsession 2.
Mister NostalgiaMit schwarzem Strich: Nilowsky - eine Jugend in Ostberlin
Nilowsky, angesiedelt im Ostberlin der 1970er Jahre, schildert die schwierige Freundschaft von Markus und seinem Freund Nilowsky.
NilowskyErkundung der Einsamkeit
Die Graphic Novel Seek You zeigt die Auswirkungen von Einsamkeit und wie unsere Gesellschaft lernt, mit ihr umzugehen.
Seek YouSchwarzer Humor, absurde Situationen und ein Hauch von Selbstreflexion
Der Letzte löscht das Licht, eine Graphic Novel des Schweizer Grafikers Tobias Aeschbacher, animiert zu lautem Lachen und Amüsement.
Der Letzte löscht das Licht