Über römische Kaiser und krasse Päpste
Manchmal passiert es eben - und das ist auch gut so. Man lernt selbst im fortgeschrittenen Alter nochmal etwas Neues kennen: einen interessanten, eigenwilligen Stil, eine innovative Art des Erzählens und einen in Deutschland weniger bekannten Autor. Matthew Kneale, ein fast 50-jähriger Brite, der in seiner englischen Heimat durchaus als schriftstellerisches Genie bewundert wird, ist hierzulande bisher leider weniger aufgefallen ("Kleine Vergehen in üppigen Zeiten" oder "Englische Passagiere"). Vielleicht haben die Gene in Autoren-Familien doch eine gewisse Bedeutung oder es ist schlichte Sozialisation: Immerhin ist Matthew Kneale Enkel Alfred Kerrs, eines renommierten deutschen Schriftstellers und Journalisten, sowie Sohn der britischen Bestsellerautorin Judith Kerr.
Wenn ein zehnjähriger Junge, Lawrence, erzählt, wie er mit seiner Mutter und der nervigen kleinen Schwester Jamima die englische Heimatstadt fluchtartig vor dem drohenden Vater verlassen muss, um nach Rom zu reisen, dann ist das nicht nur ungewöhnlich, es hat auch einen ganz hervorragenden Witz. Für den Leser bedeutet dieser Umstand zu Beginn, sich konzentrieren zu müssen, um richtig verstehen, mitkommen zu können. Denn Jungen in diesem Alter erzählen völlig anders, als wir Erwachsenen es gewohnt sind. Matthew Kneale gelingt es (auch in der deutschen Übersetzung und das ist keine Selbstverständlichkeit), die Sprache, Ausdrucksform als auch Gedankengänge eines zehnjährigen Kindes authentisch und ergreifend rüberzubringen, ohne, dass die Geschichte abgehackt, unverständlich, platt oder gar langweilig zu werden droht. Der Leser lernt rasch, den Ausführungen des Jungen zu folgen, so dass die eine oder andere Lachsalve einfach nicht ausbleiben kann.
Da Lawrences Mutter offensichtlich vor "seiner Zeit" länger in Rom lebte und dort noch immer eine Reihe von "Freunden" hat, beginnt die Reise in die italienische Hauptstadt nicht ohne Vorkenntnisse. So zeichnet sich nach der geglückten "Flucht" für kurze Zeit ein geregeltes, glückliches und materiell gesichertes Leben ab. Sie lernen neue Menschen kennen, Mum besorgt sich einen Job und auch eine bezahlbare Wohnung wird gefunden. Allerdings ist dem (Klein)familienfrieden nur eine sehr kurze Episode vergönnt. Es stellt sich heraus, dass die vermeintlichen Freunde der Mutter letztlich Feinde, Verschwörer und Zuarbeiter seines Vaters sind. Sie benachrichtigen selbigen, wo sich die Familie aufhält, dieser stellt ihnen persönlich nach, beobachtet und bedroht sie. Die Idylle einer großen, freien und hellen Weltstadt wird zu einem bedrückenden, dunklen Gefängnis. So müssen Lawrence und seine kleine Schwester mit der Mutter noch einiges durchstehen, ohne dass ein klassisches Happy End die Geschichte abschließt - aus der Perspektive des Jungen hätte man es sich fast gewünscht.
Neben dem Schicksal von Lawrence, Jamima und Mum, welches man erst ab der Mitte des Buches in erschreckender Weise richtig begreifen und die Hintergründe verstehen kann, zeichnet sich ferner aus, dass der Junge immer wieder geschichtliche oder auch weltraumwissenschaftliche Themen auf seine eben kindliche Art einwirft. Erstere machen einem die blutrünstige Vergangenheit beispielsweise der römischen Kaiser oder aber auch der Päpste aus einer völlig neuen Perspektive bewusst. Zweitere verdeutlichen unter anderem die Endlichkeit unseres klitzekleinen Planeten in der Unendlichkeit des Alls. Wie kommt Lawrence zu diesem Wissen? Einerseits hat er sein "Weltraumbuch" mit nach Rom nehmen dürfen, obwohl doch so wenig Platz in dem kleinen Auto war, und andererseits bekommt er von den italienischen Bekannten seiner Mutter historische Jugend-Bücher geschenkt, "Geile Geschichte", "Krasse Kaiser" und "Krasse Päpste", die sozusagen das Fundament bilden, aus dem das Kind seine Erzählungen, die über das Familienleben hinaus gehen, speist. Natürlich bleibt die Historie nur angekratzt, trotzdem wird uns mit den Worten eines Zehnjährigen illustriert, was für eine komische Mischpoke die Menschheit gewesen ist und weiter zu sein scheint.
Letztendlich kann man "Als wir Römer waren" als hervorragend gelungen bezeichnen: Sicherlich, gesellschaftskritische Töne sind nur beschränkt und zwischen den Zeilen zu lesen, trotzdem hat das Buch einen klasse Stil, es ist eine wunderbare Geschichte, eine spannende Erzählweise - als unterhaltsame Alltagslektüre einfach empfehlenswert!
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