Die Ängste und Qualen des Künstlerdaseins
Peter Kurzeck schildert im zweiten Teil seiner autobiografischen Romanfolge eine Phase aus seinem Leben, die er 1984 in Frankfurt durchlitt, muss man wohl sagen. 1984 hatte er nicht nur seinen Job in einem Antiquariat verloren, sondern auch die Geborgenheit einer langjährigen Beziehung mitsamt Wohnung und, besonders schmerzlich, den ständigen Kontakt zu seinem kaum fünfjährigen Töchterchen. "Als Gast" lebt er in der Folge in bedrückender Geldnot bei einem Gönner-Ehepaar.
In einer stakkatoartigen Folge von Phrasen, selten vollständigen Sätzen, teilt er dem Leser die Ängste und Qualen eines Künstlerdaseins mit. Gesprächsfetzen, Beobachtungen, flüchtige Gedanken, Assoziationen und immer wieder Erinnerungen bilden eine ununterbrochene Folge. Diese sprachliche Form erweist sich der Monotonie wiederkehrender Ängste und alltäglicher Sorgen als völlig angemessen. Mit schonungsloser Offenheit enthüllt er seine eigenen Unzulänglichkeiten. Dem Leser teilt sich ein ständiges Gefühl des Gehetzt- und Getriebenseins mit, das zeitweilig schwer erträglich ist.
Gleichzeitig beobachtet Kurzeck das Leben auf Frankfurts Straßen; und auch hier passt der Stakkatostil. Der Autor erreicht so eine wahrhaft dichte Beschreibung, um einen ethnologischen Begriff zu verwenden.
Aber auch in den Prozess des Schreibens erhält der Leser Einblick: auch dieser monoton, Tag für Tag dasselbe, eine Aufgabe, welcher der Autor pflichtbewusst nachkommt. "Gleich da. Zurück und sehen, was das Manuskript zu dir sagt. Auch wenn es spät ist. Bei jedem Heimkommen als erstes die Notizzettel von unterwegs aus der Tasche. Reichtümer. Schätze. Aus der Welt bringst du die Welt mit. Ein langer Tag. [...] Im Manuskript den letzten Absatz noch einmal und sehen, wie es weitergeht. Wenigstens die nächsten zwei Sätze oder so weit es dich eben trägt. Sehen, wo es dich hinträgt." (S. 222) "Schreiben. Zuerst eine Farbe, ein Bild, dann die Wörter dafür. Nur probeweise, fürs erste, damit du dann bessere finden kannst. Du suchst dir die ersten Wörter zusammen und kostest sie, kaust sie, trägst sie mit dir herum. Bis es zwei halbe Sätze wenigstens. Und an einem guten Tag, der im übrigen leer bleiben muß, an so einem Tag diese zwei halben Sätze mit Vorsicht (auf Widerruf) auf ein Blatt Papier. Und dann immer wieder abschreiben die zwei halben Sätze, lesen und abschreiben. Bis ein Buch daraus wird. Sitzen und schreiben." (S. 154f)
Falls auf dieser Welt noch jemand ist, der einen Schriftsteller oder sonst einen Künstler um sein nicht in die übliche Tretmühle eines Berufsalltags eingebundenes Dasein beneidet, er sollte dieses Buch lesen. "The most unglamorous of human obsessions" nennt der in England lebende Philosoph und Bestsellerautor Alain de Botton das Schreiben und bekennt, dass er auf seine Einkünfte als Journalist angewiesen ist. Aber Peter Kurzecks Buch ist - vielleicht nicht überraschend bei einem inzwischen mehrfach ausgezeichneten Schriftsteller - darüber hinaus lesenswert, weil es einfach ein gekonntes Werk ist, auch wegen seines ungewöhnlichen Stils.
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