Fundstücke einer fremd vertrauten Welt
Das Beiläufige, Übersehene, Alltägliche vereinnahmt unser Denken mehr als grosse Tragödien. Der junge bulgarische Autor Alexander Špatov will mit seiner bisher zweiten Veröffentlichung "Fussnotengeschichten" die Aufmerksamkeit der Leser auf am Rande Liegendes richten, will Spuren verfolgen, die zumeist nicht (auf)gelesen werden, Gedanken, die weiterführen: Fussnoten eben, die unseren Schritten den Takt geben.
20 Kurzgeschichten fangen einen Satz, eine Szene, aus dem Alltag auf, und damit an. Ein literarischer Plakatabriss der städtisch geprägten bulgarischen Seele: Zitate, Aufdrucke, Fundstücke unterschiedlichster Textsorte bilden die Überschrift, bzw. Unterschrift der Geschichten, ihren wörtlichen Ausgangspunkt. Wohin sie führen? Jedenfalls nicht geradeaus.
"Das Absurde kann jeden beliebigen Menschen an jeder beliebigen Strassenecke anspringen" so Albert Camus im Mythos des Sisyphos. - Alexander Špatov nimmt ihn beim Wort, sieht dem Absurden tatsächlich ins Auge, beispielsweise, wenn im morgendlichen Stau mitten in Sofia plötzlich ein Affe mit gelbem Halsband mir nichts dir nichts auf eine Motorhaube springt. Hier die Frage nach dem Sinn oder der Ursache zu stellen, lohnt nicht, mit Vernunft lässt sich Magie nämlich nicht einfangen.
Der Mensch ist heute überall ein Fremder geworden. Nicht nur global gesehen.
"L'étranger" (The Stranger) von Albert Camus heißt ins Bulgarische übersetzt "Čuždenezăt" (The Foreigner). Manche Leute beharren darauf, genau das wirke befremdend, doch höchstwahrscheinlich können sie nur Englisch (12) - lautet der Einleser zur zwölften Fussnotengeschichte. Es folgt ein Dialog zweier Ausländer unterschiedlicher Herkunft, die aus einer banalen Frage heraus ihr Fremdsein überwinden; oder zumindest für den Augenblick infrage stellen.
Mehr oder weniger philosophische Fragen der Zeit, Alexander Špatov nimmt sie ernst und löst sie mit Witz auf: Realität, Virtualität oder Fiktion, worin nun der Kern besteht, bleibt jedem selbst zu entdecken.
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