75 Jahre Godfather of Shock Rock
Die Schlange zieht sich durch das Werk von Vincent Damon Furnier alias Alice Cooper wie durch die Vertreibung aus dem Paradies der biblischen Schöpfung. Der "Meister des Makabren" hat es allen Unkenrufen zum Trotz geschafft zu überleben. 75 Jahre Alice Cooper, das macht ihm so schnell keiner nach. Außer Alice Cooper.
Kobold des Klamauk und Vaudeville
Auf der Bühne enthauptet, Riesenspinnen, Guillotine, Frankenstein Monster, dämonische Krankenschwestern, ein elektrischer Stuhl, ... das alles gehört seit den 70er-Jahren zum ganz alltäglichen Bühnenequipment des Schreckenskabinetts von Alice Cooper, der sich nach seinem Tief in den Achtzigern für die Ewigkeit in die Rock'n'Roll Hall of Fame einschreiben konnte. Dabei halfen ihm nicht nur seine Religion, sondern auch sein Glauben, vor allem aber die Abspaltung seines Bühnen-Ichs von seinem wirklichen Ich. Seine ironische Haltung gegenüber der Love and Peace-Generation der Sechziger soll der junge Vincent einst auf den Konzerten eines gewissen Jim Morrison aka The Doors gelernt haben. "Morality Plays" nennt man in Amerika das puritanische Spiel von Verbrechen und Strafe, üblem Benehmen und dem Versprechen auf baldige Besserung, erklärt der Autor Gary Graff aufschlussreich. Aber auch bei den Vaudeville Shows des 19. Jahrhunderts hat Alice Cooper sich einiges abgeschaut. Der preisgekrönte Musikjournalist, ebenfalls wie Cooper in Detroit geboren, zeigt 75 Schlüsselmomente im Bühnenleben des Enfant Terribles der Musikszene, der immerhin 28 Alben in seiner mehr als 50-jährigen Karriere veröffentlichte. 75 Kapitel zum 75. Geburtstag, illustriert und gut recherchiert natürlich. So steht etwa das "Damon" in seinem echten Namen nicht für das deutsche Wort für Dämon, sondern wurde dem Schriftsteller Damon Runyon entlehnt. Seine Eltern waren religiös und siedelten, als Alice zehn Jahre alt war, von Detroit nach Kalifornien und Arizona um. Zum Glück für Alice, denn er hatte Asthma und Allergien und vertrug das Klima der Motorcity Detroit nur sehr schlecht.
Bürgerschreck und Master of Desaster
Dennoch bezeichnet er sich heute noch gerne als Detroiter und identifiziert sich auch mit den Baseball-Teams seiner Heimatstadt. Nach einem Vorgeplänkel (1964-68) unter unterschiedlichen Namen entschied sich ein Ouija-Brett, das Vincent befragte, für den Namen Alice Cooper. Gut erfunden ist nicht gelogen und tatsächlich war es ganz anders. Vorbilder für seinen Look fand der neugeborene Alice zunächst in Bette Davis, Anita Pallenberg als Tyrannin in Barbarella oder Emma Peel in Mit Schirm Charme und Melone. Wobei an dieser Stelle gesagt werden muss, dass die ganze Band Alice Cooper war, nicht nur Vincent. Unter Vertrag nahm ihn dann das Label von Frank Zappa, der Godfather des Skurrilen. Die "Trägerrakete, die die Band in die Umlaufbahn beförderte" (Shep Gordon), waren aber nicht ihre ersten beiden Alben, die allesamt floppten, sondern ein Huhn. Auf dem Toronto Rock'n'Roll Festival ereignete sich der Vorfall, der Alice Cooper endgültig und bis heute bekannt machte und einen Mythos schuf, von dem er heute noch zehrt. Zum "Smells Like Teen Spirit" wurde schließlich ein Song mit dem lapidaren Titel "I'm Eighteen", obwohl dies auf keinen der fünf Bandmitglieder mehr zutraf. Der Sänger war damals 23 und "Love it to death", das dritte Album, bekam auf Anhieb Platin. "School's Out" folgte und zementierte seinen Ruf als Bürgerschreck und schlechten Einfluss auf die amerikanische Jugend. Als sein bestes Album gilt immer noch "Killer", mit einer züngelnden Schlange am Cover. Auch die Alben "Billion Dollar Babies" und "Constrictor" stehen ganz im Zeichen des Reptils, das Alice Cooper auf mehreren Tourneen begleitete. Es darf verraten werden, dass es nicht immer die gleiche Schlange war.
75 Jahre dubiose PR und harte Musik
"Killer" entstand während der Tour zu "Love it to death", ebenfalls 1971. Die Schlange als Sujet stellte selbst seine Hinrichtungsaktionen in den Schatten und wurde zum klassischen Alice-Cooper-Maskottchen. Aber ein paar andere ebenso geniale PR-Stunts sorgten dafür, dass Alice Cooper bald in die Annalen der Rockgeschichte einging. Für das Album "School's out" wurden Höschen über das Innersleeve der Platte gelegt. In London blieb ein Laster, der ein riesengroßes Alice Cooper Poster - auf dem er nackt mit Schlange abgebildet war - mitten in der Rushour am Piccadilly Circus "zufällig" im Verkehr stecken. Aber auch einige dubiose christliche Fanatiker und Sittenwächter sorgten regelmäßig für gute PR, nämlich negative. "Wenn etwas verboten wird, dann lieben es die Kids", kommentierte Alice Cooper schon damals den Erfolg seiner Band. Dass es aber nicht nur daran, sondern vor allem auch an der Musik lag, zeigt Graff in dieser Bildbiographie, die exklusiv beim Hannibal-Verlag zum 75. Geburtstag des surrealistischen Bühnenmatadoren erscheint. Eine farbiger, ausklappbarer Lebenslauf des Künstlers ergänzt diese ebenso farbenfrohe und bunte Erzählung des Multitalents. Neben Pressepässen und Tickets gibt es auch viele Bühnen- und Backstagefotos zu sehen. Ein Kapitel ist auch Alice Coopers Fastfoodkette Cooperstown gewidmet, die allerdings nach nur 19-jährigem Bestehen wieder eingestellt wurde. Ein anderes Kapitel enthält ein Verzeichnis seiner Gastauftritte bei oder mit anderen Bands, aber auch seine wohltätige, christliche Seite kommt nicht zu kurz. Eine aufschlussreiche Bildbiographie, wie sie schon zu Ozzy Osbourne erschien, und die alle Bedürfnisse eines Fans erfüllt: mit Schlange am Back-Cover.

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