Deutsche Geschichte in Fotografien
Dies ist der erste von fünf Bänden zur "Geschichte der Bundesrepublik in Fotografien". Anhand von Fotos aus dem dpa-Archiv wird in diesem Buchprojekt Zeitgeschichte lebendig. Dabei stehen weniger bekannte Aufnahmen im Mittelpunkt; viele werfen ein Licht auf den Alltag der Menschen: von lächelnden, wahlkämpfenden SPD-Mitgliedern auf Fahrrädern vor Trümmergebäuden 1949 und einer Demonstration des Deutschen Gewerkschaftsbundes in München 1952 über das Bild einer riesigen Menschentraube von DDR-Flüchtlingen vor dem Eingang eines Aufnahmelagers in West-Berlin 1953 oder einer Menschenschlange vor einer Rentenzahlstelle in Kassel 1956 bis hin zu den zufriedenen Frauengesichtern anlässlich des Sommerschlussverkaufs 1958 oder der Aufnahme eines arbeitenden Kleingärtners und seiner Gänse vor einer Kohlenhalde in Bochum aus demselben Jahr.
Inhaltlich gliedert sich das Buch in vier Abschnitte: Zunächst wird die politische Geschichte um die Gründung der BRD und ihre Stabilisierung unter Konrad Adenauer dargestellt. Es folgt ein Kapitel über die deutsche Teilung, in der Edgar Wolfrum auch auf die Frage eingeht, ob ein vereintes, aber neutrales Deutschland tatsächlich eine Option war und ob die Deutschen dies wirklich allein hätten entscheiden können, was er eher verneint. In diesem Abschnitt werden auch die Einbindung Westdeutschlands in die Nato, die Wiederbewaffnung und knapp der erste Schritt auf dem Weg zur europäischen Einigung geschildert.
Interessant ist die Sicht des Autors auf die in der Bundesrepublik herrschende "Parität der Konfessionen" (S. 14) Durch den Wegfall vieler protestantisch dominierter Gebiete verloren die Protestanten "erstmals ihre bis dahin dominierende kulturelle und gesellschaftliche Stellung. Die Bundesrepublik prägten nun vielmehr besonders west- und süddeutsche katholische Traditionen." Unter dem katholischen Bundeskanzler Adenauer erfuhr die Idee eines europäischen christlichen Abendlandes einen neuen Aufschwung. Wolfrum erblickt hierin auch ein Motiv für Adenauers entschiedene Politik der Westintegration.
Man wünschte sich unter den Rubriken "Hypothek der Vergangenheit" und "Schatten der Vergangenheit" vielleicht etwas mehr als nur jeweils ein Bild von einer gerade neu eröffneten und schon mit Hakenkreuzen beschmierten Synagoge 1959 und dem Abschluss des Wiedergutmachungsabkommens zwischen Israel und der BRD 1952. Das misslungene Attentat auf Adenauer findet übrigens keine Erwähnung. Zum Thema "Vergangenheitsbewältigung" wurden keine weiteren Bilder aufgenommen; in einer Spalte Text macht der Autor deutlich, dass in den 1950er Jahren eine "Mentalität des Schlussstrichs" vorherrschte (S. 107), die sich erst gegen Ende des Jahrzehnts etwas lockerte. "Der Widerstand gegen das NS-Regime wurde weithin diffamiert und vom Holocaust sprach man nicht. In keinem Jahrzehnt der Bundesrepublik Deutschland sind weniger Mahnmale und Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus errichtet worden als im ersten." (S. 15) Hierzu enthält der Band ein Foto von der Enthüllung des Mahnmales für die "Weiße Rose" in der Münchner Universität 1958.
Natürlich darf ein eigenes Kapitel über das "Wirtschaftswunder" nicht fehlen. Der letzte Abschnitt ist dann Gesellschaft und Kultur gewidmet, wobei hinsichtlich der ausgewählten Fotos das Kino etwas zu dominierend ist. Der Autor distanziert sich hier von der allgemeinen Auffassung, die deutsche Kultur des behandelten Jahrzehnts sei nur "muffig" und "bieder" gewesen (S. 106). Damit werde man ihr "auf keinen Fall gerecht". Wolfrum verweist auf die Avantgarde in Malerei und klassischer Musik, die Literatur der Autoren der "Gruppe 47" oder die Begeisterung der Jugend für Rock 'n Roll.
In einem Buch, das sich ausdrücklich der "visuellen" Geschichte widmet, ist der Text naturgemäß knapp gehalten und beschränkt sich auf ein paar einführende Seiten zu Anfang jedes Kapitels und kurze Kommentare zu den Bildern. Dadurch findet nur selten eine detaillierte Darstellung Platz. Eine Zeittafel sowie eine Liste weiterführender Literatur schließen sich an. Das Buch eignet sich sowohl als Überblicksdarstellung, Einstieg oder Illustration und Veranschaulichung.
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