Bild statt Wort
Eine Rezension dieses Kompendiums ist nicht möglich: Es handelt sich um eine unstrukturierte Literaturgeschichte die, bis auf einen einführenden, die Herausgeber der "100 Meisterwerke der Weltliteratur" feiernden Absatz, ohne Wörter auskommt.
Man könnte MOGA MOBOs Unterfangen eine Literaturgeschichte ohne Wörter von einhundert namhaften Comiczeichnerinnen und Comiczeichnern vorlegen zu lassen, revolutionär nennen. Man könnte aber auch sagen, dass der Zusammenfassung von Werken wie Musils "Mann ohne Eigenschaften" in jeweils höchstens acht Comic Panels ohne Sprache ein alter pervertierter bildungsbürgerlicher Gedanke zugrunde liegt: Man muss die Handlung eines Textes kennen, um mitreden zu können. Die Sprache bleibt außen vor. Wir kennen das aus der Zeit unseres Abiturs, wo wir die Handlung von "Der Schimmelreiter" in möglichst knappen Werkzusammenfassungen nachlasen, um für die Klausur zu wissen, was der Storm uns sagen will. Wir haben eine gute Note bekommen, des Dichters Sprache aber blieb uns verborgen.
Nun ist die literarische Moderne aber dadurch gekennzeichnet, dass nichts so sehr zählt, wie die Form. Der Inhalt wird vernachlässigbar, alles schon gesagt, das Medium ist die Message. Wir wollen MOGA MOBO wohlwollend unterstellen, dass sie genau mit diesem Problem spielen. In einem Zeitalter der Wiederkehr der Bilder, dem Verschwinden und Verkürzen der Sprache in Internet und SMS ist es konsequent auch der Literatur die Sprache zu entziehen und zu gucken, was davon übrigbleibt.
Also, was bleibt? Es bleiben sehr individuelle und zum Teil äußerst bedenkenswerte Interpretationen sprachlicher Meisterwerke in schwarzweißen Bildern. Diese Interpretationen liefern eben keine Zusammenfassungen der Handlungen und verweisen äußerst modern auf den Verlust von autorisierter Bedeutung in Texten. Wenn z.B. Melvilles "Moby Dick" ohne die Abbildung des gigantischen Protagonisten auskommt, dann ist der Rezipient gefragt. Er "liest" die acht kleinen Bilder noch mal und noch mal und fragt sie und sich: "Wo ist der Wal?" Als Antwort auf diese Frage bleibt dann nur, doch das Original zu lesen und so letztendlich zu Sprache und Form, zur Essenz, zu sich selbst zu kommen.
Einen gravierenden Mangel hat das Buch allerdings: es ist kostenlos. Es liegt (jetzt wohl nicht mehr) in Stuttgarter und Berliner Kinos, Comicläden usw. aus und finanziert sich ausschließlich durch Werbung. Damit ist es moderner, als es sein müsste. Es eilt einer unseligen Entwicklung gehorsamst voraus, hetzt dem Privatfernsehen hinterher und setzt sich auch so von der immer noch kommerziell nicht lohnenden "guten Literatur" ab. Noch ist das ziemlich schick und underground.
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