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Wolf Schneider: Deutsch für junge Profis

Am Anfang war das Wort...

...und dann kam der Text und alles war viel schwieriger. Journalist und Lehrmeister Wolf Schneider erklärt in seinem neuen Buch "Deutsch für junge Profis", warum im Anfang eines Textes das Verderben schlummert und wie man dieses stilvoll umschifft.

"Wer schreibt, möchte Leser haben." Eine Binsenweisheit, die fast zu lapidar ist, um sie überhaupt schriftlich zu fixieren. Der Medienprofi Wolf Schneider tut es dennoch. Der Grund: Schreiben zieht nicht notwendiger Weise Gelesen werden nach sich bzw. "es wird unendlich viel mehr geschrieben, als gelesen." Aus diesem Grund gibt Schneider den Lesern seines neuen Buchs "Deutsch für junge Profis" 32 Rezepte an die Hand, "wie man gut und lebendig schreibt". Sie sollen das Unmögliche möglich machen: Die Behauptung des eigenen Texts inmitten der Millionen Tweets, SMS, E-Mails und anderer Buchstabensalate.

Seine Zielleserschaft qua Titel, also Jung- und Nachwuchsjournalisten, wird angesichts dieser Ankündigung zunächst ein innerer Widerstand überkommen, wenn Sie dieses Buch zur Hand nehmen. Denn im Rahmen ihrer Ausbildung sind sie einem Dauerfeuer an Ratschlägen zu stilvollem Schreiben ausgesetzt, ohne dabei wirklich Orientierung zu erhalten, denn Stil wird nur allzu oft mit Geschmack verwechselt. Über diesen zu streiten lohnt sich bekanntermaßen nicht. Das der Mensch es dennoch tut, ist wohl eine Eigenart, mit der man sich abfinden muss. Lernen aber kann man davon nichts.

Bei Wolf Schneider ist dies anders, denn dem Sprachpapst (Bastian Sick über Wolf Schneider in der Zeit) geht es tatsächlich um Stilfragen. Es geht ihm darum, dass Texte "gut und lebendig" geschrieben werden. Sein Handbuch für junge Profis, welches keines ist, bietet in seiner Übersichtlichkeit und einem ausführlichen Register im Anhang aber sämtliche Vorteile eines solchen. Es dient außerdem als perfekte Vorlage für einen guten Text und unterscheidet sich schon deshalb von den geläufigen Ratgebern und Handbüchern, die Lebendigkeit predigen und dabei dem Leser den Schlaf auf die Augen legen. Schneider hingegen hält sich selbst an seine Rezepte, die er dem jungen Textanrührer auf 178 vergnüglich-lehrsamen Seiten einflüstert. Ungekünstelt und anschaulich erklärt er, warum am Anfang eines Textes eine Rakete zünden muss. Wann Redundanz wirkmächtiges Stilmittel und wann Geschwätz ist. Warum Adjektive erst anklopfen müssen, bevor sie einen Textraum betreten. Dass guter Stil nichts mit Synonymfluten und Anglomanie zu tun hat, sondern mit einem Gespür für Worte und ihre Wirkung. Schneider zeigt, das journalistisch schreiben heißt, manchmal unanständig zu sein, ohne aber dabei berechtigt existierende Sprachtabus zu ignorieren.

Schneider, der als Korrespondent für die Süddeutsche Zeitung aus Washington berichtete, der Welt als Chefredakteur diente, die NDR Talkshow moderierte und den Stern-Verlag leitete, verkörpert die geballte mediale Sprachkompetenz. 1994 von der Gesellschaft für deutsche Sprache mit dem "Medienpreis für Sprachkultur" ausgezeichnet, bildet er den schreibenden Nachwuchs an fünf Journalistenschulen aus. Sicher, manchen seiner Ratschläge kennt der junge Profi bereits. Ob er sie deshalb aber auch berücksichtigt, steht auf einem anderen Blatt. Schneider zeigt, warum er es sollte. Dabei sind es nicht die nackten Argumente, die den Leser dazu bringen, ihnen Folge zu leisten. Es ist ihre umgehende Anwendung selbst, die überzeugt, denn sie hat einen Text geschaffen, in dem man wie von einem stetig dahinfließenden Strom mitgenommen und getragen wird, immer weiter, bis zur letzten Seite. Auf dieser ist dann zu lesen: "Wörter können fliegende Boten zu den Augen, zu den Ohren, zu den Hirnen, zu den Herzen der Leser sein. Flügel freilich müssen wir ihnen selber machen. Ans Werk!" Dem gibt es abseits von Redundantem nichts hinzuzufügen. Und das, so weiß man spätestens jetzt, sollte man sich sparen.

Nachtrag: Wie viele Schneider’sche Regeln der Autor dieses Textes eingehalten und gegen wie viele er verstoßen hat, kann, wer Muße hat, nach Lektüre des Buches prüfen. Entscheidend ist, wer bis zu dieser Stelle vorgedrungen ist, hat diesen Text auch gelesen. Und darum ging es doch. Denn wer schreibt, möchte Leser haben.

von Thomas Hummitzsch - 20. August 2010
Deutsch für junge Profis
Wolf Schneider
Deutsch für junge Profis

Wie man gut und lebendig schreibt
Rowohlt 2010
192 Seiten, gebunden
EAN 978-3871346729