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Stephan Paul, Andreas Horsch, Daniel Kaltofen, André Uhde, Gregor Weiß: Unternehmerische Finanzierungspolitik

Wertorientiertes Wirken für Finanzabteilungen

Aus unterschiedlichsten Gründen geraten aktuell langjährig stabile und erfolgreiche Geschäftsmodelle unter Druck. Wesentliche Treiber einer solchen Entwicklung können u. a. technologische Entwicklungen, Änderungen der Rahmenbedingungen infolge staatlicher Eingriffe oder auch politische Strukturverschiebungen und veränderte gesellschaftliche Prioritäten sein. So gehen zum Beispiel von der Digitalisierung und der vierten industriellen Revolution, der Energiewende nach der Fukushima-Katastrophe, dem neuen Handelsprotektionismus der USA oder der sharing economy neuartige Anpassungszwänge für Unternehmen aus. Gemäß der Praxisformel "Finance has to fit the business" kann bei einem Umbruch in den Geschäftsmodellen auch der Finanzbereich von Unternehmen nicht unverändert bleiben, d. h. die Leiter des Finanzbereichs werden immer stärker in die Entwicklung der Unternehmensstrategie eingebunden, ermöglichen das Erzielen von Wettbewerbsvorteilen und treiben damit die Wertschaffung von Unternehmen voran.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen werden der vielversprechende Ansatz und zugleich der "economic value added" dieses neuen Lehrbuchs zur Unternehmensfinanzierung begründet, d. h. es soll das wertorientierte Wirken aus dem Finanzbereich einer Unternehmung heraus beschrieben werden. Hierzu werden die zentralen Aufgabenbereiche der Finanzierungspolitik mit Blick auf den Unternehmenswert - in insgesamt 18 Modulen - behandelt:

Teil I Leitperspektive: Finanzierungspolitik und Wertschaffung von Untenehmen führt in die Finanzierungspolitik ein. Dabei wird deutlich, dass sich die Unternehmensfinanzierung am jeweiligen Geschäftsmodell zu orientieren hat und der erste Wertbeitrag der Finanzierung in der "richtigen" Dimensionierung der Unternehmensliquidität liegt. Die Aufgaben des CFO bzw. des Finanzleiters im Rahmen der Wertschaffung sind deren Kalkulation, Finanzierung, Absicherung, Organisation und Kommunikation sowie das Mitwirken an den dafür erforderlichen strategischen Weichenstellungen zur Weiterentwicklung des Geschäftsmodells. Ein weiteres Modul erörtert die Informationsgrundlagen der Finanzierungspolitik. Dabei geht es u. a. um die Geschäftsmodell-, Rentabilitäts- und Liquiditätsebene sowie um die Verzahnung der Steuerungsebenen in der Balanced Scorecard.

Teil II Kalkulation der Wertschaffung: Investitionsrechnung widmet sich in sechs Modulen der Bewertung von Investitionen. Nach der Erörterung der Grundlagen der Investitionsrechnung wird ausführlich aufgezeigt, wie sich Einzelinvestitionen bei Sicherheit und Unsicherheit mit statischen und dynamischen Methoden bzw. mit einfachen und anspruchsvollen Methoden zur Berücksichtigung von Eintrittswahrscheinlichkeiten bewerten lassen. In jeweils eigenen Modulen werden danach die Bewertung von Investitionsprogrammen, die Investitionen in Finanztitel sowie die Unternehmensbewertung, als Verknüpfung von Investitions- und Finanzierungsprogramm, erörtert.

Teil III Finanzierung der Wertschaffung: Nutzung von Finanzinstrumenten, -intermediären und -märkten geht davon aus, dass es je nach Verfassung der Kapitalmärkte und der dort agierenden Anbieter von Finanzmitteln erstens Begrenzungen hinsichtlich der tatsächlichen Verfügbarkeit von Volumina und Fristigkeiten der benötigten Finanzmittel geben kann. Zweitens differieren die Preise einzelner Finanzinstrumente zwischen den Anbietern. Dementsprechend werden in jeweils einzelnen Modulen die Arten der Unternehmensfinanzierung im Überblick sowie die Innen- und Außenfinanzierung thematisiert. Ein eigenes Modul befasst sich mit den Finanzsystemen als institutionelles Umfeld der Finanzierungspolitik. Dabei wird u. a. dem als "bankbasierten" deutschen Finanzsystem als Gegenpol das "marktbasierte" Finanzsystem der USA gegenübergestellt. Des Weiteren werden die durch die Digitalisierung bedingten Veränderungen im Finanzsystem und deren Folgen für den Finanzleiter eines Unternehmens behandelt. Mit der Untersuchung des Wertbeitrags der Kapitalstruktur wird dieser Teil abgerundet.

Teil IV Absicherung der Wertschaffung: Finanzielles Risikomanagement berücksichtigt, dass die Wertschaffung abgesichert werden muss und es deshalb eines finanzwirtschaftlichen Risikomanagements bedarf. Die Grundlage hierzu bildet die Definition, Identifikation und Messung wesentlicher Risikoarten. In diesem Zusammenhang dienen das sogenannte Risikomapping und die Modellierung von Verlustverteilung als Basis des quantitativen Risikomanagements. Auf die für den Finanzleiter relevanten Risiken aus dem spezifischen Geschäftsmodell, als auch aus dessen Finanzierung (etwa Zins-, Währungs- und Liquiditätsschwankungen), wird vor allem eingegangen. Behandelt werden auch die in der Praxis am weitesten verbreiteten Risikomaße VaR (Value at Risk) und ES (Expected Shortfall). Ein eigenes Modul widmet sich den Absicherungsstrategien mit derivativen Finanzinstrumenten.

Teil V Kommunikation über Wertschaffung knüpft an der Tatsache an, dass Finanzmärkte nicht perfekt informationseffizient sind, d. h. es bestehen mehr oder weniger große Informationsunterschiede zwischen dem Management und den Kapitalgebern einer Unternehmung. Infolgedessen wird erörtert, wie die Finanzkommunikation börsennotierter und nicht-börsennotierter Unternehmen zu gestalten ist. Es zeigt sich, dass die exzellente Finanzkommunikation auf den drei Säulen der Grundphilosophie der Transparenz, dem richtigen Fit zum Unternehmen und seinen Kapitalgebern sowie einer geeigneten operativen Technik beruht.

Teil VI Strategische Weichenstellungen zur Wertschaffung: Gestaltung von Unternehmensstruktur und -kontrolle befasst sich vor allem einerseits mit M&A-Transaktionen und andererseits mit Unternehmensrestrukturierungen. Erstere sind aufgrund der benötigten Finanzvolumina und der Nutzung von verschiedenen Finanzierungsquellen häufig besonders komplex und eine der kritischen Faktoren, welche über den Erfolg entscheiden. Hingegen spielen bei den Unternehmensrestrukturierungen die Desinvestitionen, Risikoreduktion oder Liquiditätsbeschaffung eine besondere Rolle. Das letzte Modul über "Corporate Governance und Anreizgestaltung" beschreibt die Gesamtheit des durch Regeln festgelegten Ordnungsrahmens, den der Finanzleiter mitgestaltet, aber auch selbst zu beachten hat. Gute Coporate Governance dient auch dem Investorenschutz und verbessert die Möglichkeit zur Kapitalaufnahme. Eine anreizkompatible Vergütung der Leitungsorgane kann auch dazu beitragen, den Shareholder Value des Unternehmens nachhaltig zu steigern. Der Bedeutungszuwachs des Risikomanagements und des Risikocontrollings haben zur Herausbildung der Risk Governance geführt. Mit diesem Thema wird die Bearbeitung des 18. Moduls abgerundet.

Teil VII Ausblick: Herausforderungen der Finanzierungspolitik versucht, zukünftige Trends und deren Herausforderungen für die Finanzierungspolitik und damit auch für die Aufgaben des Finanzleiters abzuschätzen.

Den Verfassern, Prof. Stephan Paul (Ruhr-Uni Bochum) und seinen Mitautoren (die Professoren Andreas Horsch, TU Bergakademie Freiberg, Daniel Kaltofen, BITS Business and Information Technology School, Iserlohn, André Uhde, Uni Paderborn und Gregor Weiß, Uni Leipzig) ist mit diesem Lehrbuch ein wahrlich guter Wurf gelungen. Die unternehmerische Finanzierungspolitik wird aus der spezifischen Sicht des wertorientierten Wirkens des Finanzbereichs einer Unternehmung theoretisch fundiert und praxisorientiert behandelt. Dadurch wird ein echter "Mehrwert" gegenüber den bisher zur Unternehmensfinanzierung vorliegenden Lehrbüchern geschaffen. Zahlreiche reale Anwendungsbeispiele, Fallstudien, Auszüge aus Geschäftsberichten und Medienbeiträge sowie knappe Zusammenfassungen am Ende eines jeden Moduls unterstützen die Auseinandersetzung und das Verständnis für die einzelnen Themenbereiche. Das umfassende und aktuelle Literaturverzeichnis erleichtert die Vertiefung in spezielle themenrelevante Problemstellungen.

Dieses Werk ist ein Lehr- und Lernbuch zugleich, es deckt nicht nur den gesamten einschlägigen Stoff für Bachelor-Studiengänge ab, sondern eignet sich in einzelnen Kapiteln auch sehr gut für Masterprogramme. Darüber hinaus kann es auch Teilnehmern von finanzbezogenen Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen sowie den in der Finanzierungspraxis Tätigen bestens empfohlen werden.


von Bernd W. Müller-Hedrich - 30. Juli 2017
Unternehmerische Finanzierungspolitik
Stephan Paul
Andreas Horsch
Daniel Kaltofen
André Uhde
Gregor Weiß
Unternehmerische Finanzierungspolitik

Eine wertorientierte Einführung
Schäffer Poeschel 2017
760 Seiten, gebunden
EAN 978-3791030869