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Neil Gaiman: Sandman

König der Träume in Schwarz

"Aus dem Dunkel rufen wir... In das Dunkel rufen wir" , heißt es philosophisch Neil Gaimans erstem Teil seiner Sandman-Reihe. Roderick Burgess, Lord Magus des Antike Mysterien Ordens, beschwört mit seinen Kumpanen und dem Chefsekretär John Hathaway den Tod herauf, weil er sich das ewige Leben wünscht. Aber die Person, die sie in dem Druidenkreis ihres Kellers gefangen nehmen, ist nicht "Death", sondern "Dream", der falsche der "Sieben Ewigen". John Hathaway begeht nach jahrzehntelangem Warten auf ein Wort von Dream Selbstmord, auch um das unmenschliche Verhalten von Lord Magus anzuprangern. Aber 70 Jahre passiert nichts. "Das Universum weiß, dass jemand fehlt und versucht allmählich ihn zu ersetzen.", lautet der bittere Kommentar, denn die Menschen können nicht mehr träumen und werden verrückt. Dann stirbt Roderick Burgess und auf seinem Grabstein steht der ironische Kommentar: "Er ist nicht tot. Er schläft nur." Schon aus diesen wenigen Zeilen lässt sich erschließen, dass Sandman kein bloßes Comic oder nur eine weitere Graphic Novel ist, sondern vielmehr Weltliteratur, denn es geht darin um die Ewigen und die ewigen Dinge: Death, Destiny, Despair, Delirium, Destruction, Desire und Dream.

Sandman: einer der 7 Ewigen

"Wenn der König dann erwacht, fügt Dideldum hinzu, gehst du aus ...Puff! ...wie eine Kerze", heißt es in Alice hinter den Spiegeln und gemeint ist damit natürlich der König des Traumlandes, Sandman, Morpheus oder Dream. Voller Referenzen an Weltliteratur wie Lewis Carroll’s Alice oder in der Figur Etrigans an Hal Fosters Prinz Eisenherz und die Justice League oder Dr. Destiny resp. John Dee, den grünen Marsianer J’Onn und andere Werke, spielte sich Sandman Mitte der Neunziger ganz nach oben in den Comichimmel. Frei nach dem Motto: "Seltsam, doch wahr. Es verwandeln sich die Dinge, wenn sie verändert werden.", wie Etrigan sagt, entstand so aus einer Serie von Referenzen ein völlig eigenständiges Werk, das die Ursprünge des Comics sogar noch übertraf. Der "candy-colored clown they call the sandman/Tiptoes to my room every night/Just to sprinkle stardust and to whisper/’Go to sleep. Everything is all right.’" wird bis heute fortgesetzt und gerade wird bei Paninicomics der 12. Band vorbereitet.

Dreaming is all you have to do

In der vorliegenden Geschichte Sandman Präludien Notturni dem Band 1/12 der bei Panini Deutschland erschienen Comiclegende braucht Sandman nach 70-jährigem Schlaf seine Sachen wieder, um alte Stärke wiederzuerlangen. Jedesmal wenn er etwas berührt, das er "vor Anbruch der Zeiten schuf" nimmt er "einen Bruchteil selbst wieder in sich auf". Zuerst holt er sich den Beutel mit dem Sand, den ein gewisser John Constantine seiner Freundin Rachel vermacht hat. Die Spannung wird so gut aufgebaut, dass die Auflösung dann in einem einzigen Panel verwirklicht wird, wenn die heroinsüchtige Rachel mit fahler Stimme haucht "All I have to do is ...dream dream dream". John Constantine murmelt "bonbonbunter Clown, von wegen..." und Dream hat Erbarmen mit Rachel und macht sich bereit für den Abstieg zur Hölle, wo sich ein Dämon mit seiner Maske versteckt hält. Auch dieser Abstieg ist selbstverständlich eine Hommage an die Weltliteratur, denn schon Dante Alighieri schickte seinen Helden zu Luzifer.

Hoffnung: der König der Träume

"Ich trage viele Namen. Ich bin der König der Träume aus dem Reich der Nachtmahre... Ich suche Lord Lucifer, den Herrn der Hölle." Bei Neil Gaiman wird die Hölle allerdings von einem Triumvirat beherrscht: Lucifer, Azazel und Beelzebub. Demokratie in der Hölle? Oder nur ein Hinweis auf Cäsar, Crassus und Pompeius nach Livius? Der Helm, die Maske aus reinen Träumen, die von Sandman aus den Knochen eines toten Gottes selbst hergestellt wurde, wird mit einem Spiel zurückerobert. "Es gibt viele Arten das älteste Spiel zu verlieren. Schlechte Nerven, Zögern, Unfähigkeit eine schützende Gestalt anzunehmen, mangelnde Fantasie." Mit "Ich bin die Hoffnung" schlägt Sandman selbst den düstersten Dämon in die Flucht. "Die Leute denken, Träume sind nicht real, weil sie nicht aus Materie, aus Partikeln bestehen, Träume sind aber real, sie bestehen aus Blickwinkeln, Bildern, Erinnerungen, Witzen und zerronnenen Hoffnungen.", meint Dr. Dee. Auch Bette’s Geschichten hören rechtzeitig auf, denn sie weiß, wenn sie zu lange dauern, enden sie mit dem Tod. "It's too bad that all these things can only happen in my dreams/Only in dreams In beautiful dreams", singt Roy Orbinson in seiner Ballade über den Sandman. "I close my eyes, Then I drift away/Into the magic night. I softly say/A silent prayer like dreamers do./Then I fall asleep to dream My dreams of you."


von Juergen Weber - 19. Dezember 2016
Sandman
Neil Gaiman
Sam Kieth (Illustration)
Mike Dringenberg (Illustration)
Malcolm Jones III (Illustration)
Sandman

Präludien Notturni
Panini Comics 2016
300 Seiten broschiert
EAN 978-3866073555