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James Lee Burke: Regengötter

Gewalt, Mut und Demut in der Wüste

Hackberry Holland, ein früherer Bürgerrechtsanwalt, ist jenseits der siebzig und arbeitet als Sheriff im Niemandsland nahe der mexikanischen Grenze, als ein anonymer Anruf eingeht - ein Massenmord ist geschehen, neun asiatische Frauen wurden umgebracht und hinter der alten Kirche in Chapala Crossing, im Süden von Texas, verscharrt. Das FBI bemächtigt sich des Falles.

Der anonyme Anruf kam von Pete Flores, einem Ex-GI, der trinkt, zu den Treffen der Anonymen Alkoholikern geht und sich, seit er aus dem Irak zurück ist, mit den falschen Leuten eingelassen hat. Er und seine attraktive Freundin Vikki, eine kellnernde Country-Sängerin, suchen das Weite und werden von den Killern der Asiatinnen, der lokalen Polizei und dem FBI gejagt.

Das ist höchst gekonnt und spannend geschildert, es gibt zuhauf überraschende Wendungen - wie es sich für einen guten Krimi gehört, doch "Regengötter" ist weit mehr als einfach ein guter Krimi, es ist ein Buch, das auch, wie immer bei James Lee Burke, eine Sozialstudie ist, die man, im Gegensatz zu ihren akademischen Pendants, auch gerne liest. Darüber hinaus kriegt man auch noch ganz viele nützliche Lebenseinsichten mitgeliefert.

"Hast du seinen Namen?"
"Er sagte, sein Name sei Pete. Kein Nachname. Warum hast du dich nicht gemeldet? Ich hätte Unterstützung schicken können. Du bist verdammt noch mal zu alt für diesen Scheiss, Hack."
'Weil man ab einem bestimmten Alter lernt, sich selbst zu akzeptieren und zu vertrauen, und sich vom Rest der Welt löst', dachte er, sagte aber etwas anderes ...

"Regengötter" lässt einen die Wüste spüren. "Die Wüste war unveränderlich, allumfassend wie ein göttliches Wesen und ruhte in ihrer eigenen Grösse. Sie erstreckte sich in die Vergangenheit, zurück bis in die Tage des Garten Eden, und war eine Zeugin für die Berechenbarkeit und die Ausgestaltung der gesamten Schöpfung, eine Verlockung für all diejenigen, die keine Scheu hatten, sich auf sie einzulassen, sie zu erobern und sie zu benutzen."

Als ich dies las war ich sofort wieder in Twenty-Nine Palms, einer Stadt in der kalifornischen Wüste, von der ihre Bewohner sagen, es sei nicht das Ende der Welt, doch man könne es von hier aus sehen. Drei Monate verbrachte ich dort, inmitten von Kreosotbüschen und kleinen Schlangen im Sand vor dem Haus, Coyoten und Hasen, die vorbeizogen, den kitschigsten Sonnenuntergängen, die ich je gesehen hatte und einer Weite, die mich befreite und mir gleichzeitig unheimlich war.

Im Gegensatz zu meiner friedlichen Wüste ist diejenige von James Lee Burke bevölkert mit gewalttätigen Menschen, die alle irgendeinen Knacks haben, ob sie nun als Verbrecher oder in Regierungsdiensten unterwegs sind. Und fast alle sind sie unberechenbar. Auch für sich selber.

"Regengötter" überzeugt nicht nur als Page Turner und als realistische Sozialstudie: es ist auch eine packend geschriebene Geschichte übers Verzeihen. "Sie war bereit etwas zuzugeben, das womöglich nicht einmal passiert ist", fuhr Pete fort. "Und falls sie es doch getan hat, wollte sie sich dazu bekennen und vielleicht sogar dafür ins Gefängnis gehen. Für sie macht es keinen Unterschied. Sie wünscht sich nur, dass man ihr all das vergibt, was sie in ihrem Leben falsch gemacht hat, Das erfordert ein Mass an Mut und Demut, das ich anscheinend nicht habe." Und eine Mediation darüber, wie man aufrichtig und anständig durchs Leben gehen kann.

PS: Es sind in diesem exzellenten Thriller (der den Deutschen Krimipreis 2015 in der Kategorie International erhielt) übrigens immer die Frauen, die den Verbrechern ohne zu zögern die Stirn bieten.


von Hans Durrer - 07. August 2015
Regengötter
James Lee Burke
Daniel Müller (Übersetzung)
Regengötter

Heyne 2014
672 Seiten, broschiert
EAN 978-3453676817