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Gerhard Mussel, Jürgen Pätzold: Grundfragen der Wirtschaftspolitik

Gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge

Wer immer eine gelungene Einführung in die Wirtschaftspolitik sucht - ob Studierende der Wirtschaftswissenschaften im Grundstudium bzw. Teilnehmer vergleichbarer Aus- und Fortbildungsstätten oder am Wirtschaftsgeschehen interessierte Praktiker - wird von diesem Lehrbuch nicht enttäuscht werden. Die beiden Autoren Gerhard Mussel (Professor an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart) und Jürgen Pätzold (ehemaliger Spitzenbeamter u. a. im baden-württembergischen Ministerium für Umwelt und Verkehr sowie Honorarprofessor an der Uni Hohenheim) haben ein gut verständliches und klar gegliedertes Lehrbuch vorgelegt, das vor allem aufgrund der didaktisch geschickten Darstellung der gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge besticht. Das Buch konzentriert sich auf die wesentlichen wirtschaftspolitischen Zusammenhänge, verzichtet weitgehend auf den für eine Einführung unnötigen mathematischen Ballast und eignet sich wegen der klaren und verständlichen Formulierung sehr gut für die von den Verfassern angepeilten Zielgruppen.

Neben einer durchgehenden Aktualisierung erfolgten in der vorliegenden Neuauflage vor dem Hintergrund der jüngsten politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen etliche Ergänzungen bzw. Erweiterungen, z. B. zur Politik der EZB und zum EU-weiten CO2-Emissionshandel. Der bewährte Aufbau des Lehrbuches wurde jedoch beibehalten. Im einführenden Kapitel A Aufgabenbereiche der Wirtschaftspolitik in der Marktwirtschaft werden die charakteristischen Merkmale eines marktwirtschaftlichen Systems und die typischen Fehlentwicklungen der freien Marktwirtschaft erörtert. Daraus leiten sich als wesentliche Bereiche einer "gestalteten Marktwirtschaft" die Allokations-, Humanisierungs- und Stabilisierungspolitik ab. Die Stabilisierungspolitik bildet den Schwerpunkt des Buches. Da wirtschaftspolitisches Handeln in der Regel auf Theorien basiert, widmet sich das Kapitel B Stabilisierungspolitische Konzeptionen folgerichtig den unterschiedlichen neoklassischen und keynesianischen stabilisierungspolitischen Konzeptionen sowie den jeweils zugrunde liegenden Basishypothesen.

Die weiteren vier Kapitel befassen sich mit den schon im Jahre 1967 im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz verankerten Zielen des sog. "magischen Vierecks". Dabei geht es im Wesentlich darum, diese Ziele jeweils näher zu begründen und zu operationalisieren, die Ursachen von Fehlentwicklungen darzulegen und die Strategien zur ursachengerechten Bekämpfung von Zielverletzungen aufzuzeigen. Kapitel C Hoher Beschäftigungsstand geht u. a. auf die konjunkturelle, strukturelle und wachstumsdefizitäre Arbeitslosigkeit ein. Im Hinblick auf den demographischen Wandel werden in einem neuen eigenen Unterkapitel auch die Problematik und die strategischen Ansatzpunkte der künftigen Beschäftigungspolitik im Zeichen einer Verknappung des Arbeitskräfteangebots untersucht. Da die Bekämpfung der Inflation ein weiteres zentrales Anliegen der Wirtschaftspolitik darstellt, gibt Kapitel D Preisniveaustabilität u. a. einen Überblick über die Ursachen der Inflation und den diversen Möglichkeiten, diese zu bekämpfen. In diesem Zusammenhang werden auch die geldpolitischen Instrumente des Eurosystems erörtert. Mit dem Kapitel E Wirtschaftswachstum wird ein weiteres Ziel thematisiert. In diesem Zusammenhang gehen die Autoren u. a. auf die Problematik des realen Bruttoinlandsproduktes zur Messung des Wirtschaftswachstums sowie auf die Grundzüge der nachfrageorientierten ("demand management") und vor allem der angebotsorientierten ("supply side economics") Wirtschaftspolitik ein. Die binnenwirtschaftlichen Stabilisierungsziele können nur dann erreicht werden, wenn sichergestellt ist, dass sich internationale wirtschaftliche Transaktionen nicht störend auf die nationale Wirtschaftsentwicklung auswirken. Mit typischen Fragen zu einer solchen außenwirtschaftlichen Absicherung befasst sich das Kapitel F Außenwirtschaftliches Gleichgewicht.

Es besteht die Gefahr, dass der marktwirtschaftliche Preismechanismus bei der Nutzung der Umwelt versagt. Deshalb tritt in neuerer Zeit das wirtschaftspolitische Ziel der Erhaltung und Verbesserung der natürlichen Umwelt zunehmend in den Vordergrund. Dieser Thematik widmet sich das abschließende Kapitel G Ökologisches Gleichgewicht und befasst sich vor allem mit den marktwirtschaftlichen Anreizinstrumenten der Umweltpolitik, insbesondere mit den handelbaren Umweltzertifikaten und dem Umwelthaftungsrecht als Internalisierungsstrategie.


von Bernd W. Müller-Hedrich - 10. Mai 2012
Grundfragen der Wirtschaftspolitik
Gerhard Mussel
Jürgen Pätzold
Grundfragen der Wirtschaftspolitik

Franz Vahlen 2012
300 Seiten, broschiert
EAN 978-3800642618