https://www.rezensionen.ch/der-nasse-fisch/3551782482/

Volker Kutscher: Der Nasse Fisch

Glamour im Berlin der 1920er

Ein Auto fährt mit hoher Geschwindigkeit ungebremst in den Landwehrkanal in Berlin. Das Opfer ist ein junger Mann dessen Identität noch geklärt werden muss. Die Graphic Novel "Der Nasse Fisch" spielt im Jahre 1929, Berlin ist die Hauptstadt des Vergnügens, keiner weiß, dass auf den Ersten noch ein Zweiter Weltkrieg folgen wird, auch wenn sich die Vorzeichen schon am Horizont abzeichnen: paramilitärische Gruppierungen stoßen auf den Straßen Berlins aufeinander, Demonstrationen und politische Morde zeichnen ein gefährliches Klima aus, das bald in einen Bürgerkrieg münden könnte. Doch dann kommt alles ganz anders.

Sündenpfuhl Berlin

Kriminalkommissar Gereon Rath wurde aus Köln von der Mordkommission nach Berlin zur "Sitte" versetzt und mietet sich dort bei einer Zimmerwirtin ein, mit der er auch gleich ein Techtelmechtel beginnt. "Vielleicht war ich auf der Suche nach etwas, das mir das Gefühl gab, in dieser Stadt heimisch zu sein", bereut er sein Tête-à-tête kein bisschen und stolpert lakonisch durch einen Frühlingstag nahe der S-Bahn von Berlin. Aber bald wird er tief in eine Sache hineingezogen, die ihn sehr schnell in Berlin "ankommen" lässt. So schlecht ist sein neuer Beruf ja auch nicht, wenn er die "Sitte" mit der Mordkommission vergleicht: "Wir treiben uns beruflich im Nachtleben der sündigsten Stadt der Welt herum und kommen gratis in die feinsten Etablissements und haben den besten Bohnenkaffee am Alex".

Frauenheld und Kommissar

Am Blutsonntag in Berlin werden in drei Tagen 33 Zivilisten getötet und 198 verletzt. 47 Polizisten werden verwundet. Der Schaden für das Ansehen der Polizei und sogar der Republik ist enorm. Präsident Zörgiebel ist schuld. Aber eigentlich geht es um das sagenhafte Sorokin-Gold, das von russischen Exilanten anscheinend nach Berlin gebracht wurde. Die eingesessene Adelsfamilie Sorokin war vor den revolutionären Unruhen in Russland nach Mitteleuropa geflohen. "Ich konnte auch nicht schlafen. Ich brauchte Zerstreuung, Lärm, Bewegung. Und den Rausch. Aber davon gab es in Berlin ja mehr als genug.", meint Gereon zur Aufdeckung des verlorenen Schatzes, die ihm rein zufällig gelingt. Auf seinem Weg zur Aufklärung des ursprünglichen Verbrechens legt Gereon auch noch eine Kollegin flach: "Der Heilige Josef, Gott hab ihn selig... war zwar nicht die hellste Leuchte auf Erden, aber dafür ein echter Kamerad, auf den man zählen konnte. Was man von dir leider nicht behaupten kann, Gereon. Koksen, Herzen brechen und herumhuren ist in Ordnung für dich. Nur den Blick für die große Sache, den hast du nicht.", meint sein Widersacher Bruno zu ihm.

Glamour, Moderne und Kriminalität

Als "nasser Fisch" wird gemeinhin ein ungeklärter Mordfall bezeichnet. Oder wird es Gedeon Rath doch gelingen, das Rätsel um das Auto im Landwehrkanal zu lösen und den Sorokin-Schatz zu finden? Arne Jysch zeigt uns ein Berlin in den Zwanzigern, das vor Modernität und Glamour nur so glänzt und auch die Frauen der damaligen Zeit in ein besonderes Licht taucht. Der Autor der Romanvorlage zum Comic, Volker Kutscher, hat ebenso wie Jysch genau recherchiert und auch die Entwicklung der Polizeiarbeit durch Ernst Gennat, genannt Buddha, gut dokumentiert. Ein gelungenes Sittengemälde im Stile Louis Malets, das eine spannende Epoche unserer Geschichte porträtiert.


von Juergen Weber - 23. Juli 2017
Der Nasse Fisch
Arne Jysch (Illustration)
Volker Kutscher
Der Nasse Fisch

Carlsen 2017
208 Seiten, gebunden
EAN 978-3551782489
Nach dem Roman von Volker Kutscher