https://www.rezensionen.ch/der-mann-der-vom-himmel-fiel/B01IWXQFGO/

Nicolas Roeg: Der Mann, der vom Himmel fiel

Durch das Raue zu den Sternen

"I don't trust you, but that doesn’t alter my feelings for you!" , heißt es in der Verfilmung des Romans von Walter Tevis mit David Bowie als Außerirdischem in der Hauptrolle. Ob das eine Liebeserklärung an Mary-Lou (Candy Clark), die Kleinstadtschönheit ist, sei dahingestellt, aber schließlich gibt sich Thomas Jerome Newton mit einem kleinbürgerlichen Leben mit seiner Landpomeranze zufrieden und verzichtet auf einen Rückflug zu seiner Familie auf dem anderen Planeten. Eigentlich war er von dort gekommen, um Wasser für seinen Planeten und seine Familie auf dem blauen Planeten Erde zu finden, doch sein Raumschiff strandet in New Mexico - in der Nähe von Rosewell, NM - und so ist er gezwungen, sich an die Erdlinge anzupassen und auch ihre Erscheinung anzunehmen. Unter der Maske des David Bowie befindet sich ein reptiloid-amphibisches Monster, das noch dazu geschlechtslos oder zumindest hybrid ist. Man kann sich vorstellen, wie es Mary-Lou ergeht, als sie "Tommys" wahre Identität entdeckt, aber dennoch liebt sie ihn und will ihr Leben mit ihm verbringen. Das ist tatsächlich eine Liebeserklärung, oder?

Science Fiction als Western inszeniert

Das Intro beginnt wie bei einem Westernfilm, ein Fremder kommt in die Stadt, allerdings nicht auf dem Rücken eines Pferdes, sondern in einer nicht näher definierten Raumkapsel. Er hat hunderte Ringe, einen britischen Pass und verkauft diese an einen Antiquitätenhändler, so hat sich schon ein ansehnliches Sümmchen in seiner Tasche angesammelt und die Brille des Käufers vergrößert die Augen so, dass sie alsbald wie Kugeln aus ihren Höhlen herausfallen könnten, wäre da nicht die Brille. Ein Feuerwerk am Himmel von New York, Morgengrauen, Brueghels Bild "Auden" und dann wieder New Mexiko, reaktionäre Westernmusik im "Land of Enchantment", New Mexiko. Im Paternoster fällt Tommy in Ohnmacht und hat Nasenbluten und das Mädel vom Hotel hebt ihn auf und trägt ihn statt seinem Koffer in sein Zimmer. So lernen sich Mary-Lou und Tommy kennen und erst ist es nur ihr schlechtes Gewissen und dann das Mitleid, das sie an ihn bindet. Er schaut bald mehrere TVs gleichzeitig, weil er über die Bewohner des Planeten lernen will. "You know, Tommy, you’re really a freak, i don’t say this dislikeley - because I like freaks - that’s why i like you.", erklärt Mary-Lou sich ihre Liebe zu dem seltsamen Fremden.

Per Aspera ad Astra

"This is modern America and we would like to keep it that way" meint einer von Tommys neuen Geschäftspartnern von World Enterprises, denn sein Bestreben ein neues Raumschiff für die Rückkehr zu bauen, zeitigt ein ganzes Wirtschaftsimperium, mit dessen Finanzkraft er Wasser zu seinem Planeten transportieren will. Unterstützung bekommt Newton durch den Patentanwalt Oliver Farnsworth (Buck Henry). Aber auch die Konkurrenz schläft nicht: Dr. Nathan Bryce (Rip Torn) will dem Alien bald ans Leder und eröffnet ihm auch die wirtschaftsliberale Maxime des amerikanischen Kapitalismus: "per aspera ad astra" (dt.: "Durch das Raue zu den Sternen"), ein Satz auf Latein, den der Außerirdische verdächtigerweise nicht versteht. Bald wird aus dem Argwohn Gewissheit und Tommy muss einige Operation über sich ergehen lassen, darunter eine Amputation am Auge und an der Brustwarze, denn die Ärzte wollen beweisen, dass er ein Mensch ist und es keine Außerirdischen gibt. Doch dann gibt es bald Gewissheit: "She slept with an Alien!"

Hommage an Der dritte Mann und Anton Karas

Bowie sieht aus wie zur Zeit seines Lodger Albums, hat blonde, aber auch rote Haare. Die Bilder der anderen Welt zeigen nackte Reptilienhumanoide, die sich in einer Art Flüssigkeit bewegen, die wie Sperma aussieht. Aber sie haben auch eine Schwebebahnkonstruktion in jener anderen Welt, die durch den Wüstenplaneten führt. Es gibt aber auch eine Menge Sexszenen zwischen Tommy und Mary-Lou, etwa wenn er seinen Drink mit einer Pistole umrührt und sie dann Mary-Lou in den Mund steckt. Die ganze Zeit über hängt Mary-Lou übrigens an einer Gin-Beefeater-Flasche, sie altert auch im Laufe des Films. Einige Referenzen an andere Filme werden den Cineasten erfreuen. So ist zum Beispiel eine Montage aus "Meuterei auf der Bounty" und Tierfilmen zu sehen, aber auch ein Weihnachtsfilm. Als besonderes Bonmot sei erwähnt, dass auch die Zither von Anton Karas zum Einsatz kommt, dann nämlich wenn ein Ausschnitt aus der "Der dritte Mann", dem Kultfilm über den Wiener Untergrund nach dem Krieg, gezeigt wird.

Bowie: der Starman vom Mond

Natürlich gibt es auch viele Referenzen an Bowie’s eigene Karriere: "The Visitor" als LP im Plattenladen und der "thin white duke" als Außerirdischen: so hatte sich Bowie vor seiner Berlin-Phase gerne inszeniert, Ziggy Stardust, Major Tom oder Starman. Auch New Mexiko als Handlungsort ist eine Referenz an Roswell, NM, wo es im Juli 1947 laut US-amerikanischen Medien zu einem "UFO-Absturz" gekommen sein soll. Der Soundtrack mit Ambient/Instrumentalstücken trug auch zur später erschienen LP "Low" (1976) bei. Zuvor hatte Nicolas Roeg übrigens seinen vielbeachteten Thriller "Wenn die Gondeln Trauer tragen" in Venedig gedreht. Die Restaurierung als BluRay, die jetzt bei Studiocanal erscheint, wurde in einem aufwändigen Restaurierungsverfahren in den Londoner Deluxe Studios von einem 4K-Scan des Original-Negatives erstellt und einem vollständigen 4K-Worklflow unterzogen, der von Kameramann Anthony Richmond abgenommen wurde.


von Juergen Weber - 13. November 2016
Der Mann, der vom Himmel fiel
Nicolas Roeg (Regie)
David Bowie (Darsteller)
Der Mann, der vom Himmel fiel

STUDIOCANAL 2016
Laufzeit: 138 Minuten
EAN 4006680082448
GB 1976