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Das Waite-Smith-Tarot

Doppelt leben: erleben und verstehen. Denn die Karten lügen nicht. 800 Abbildungen und Texte erklären die von dem modernen Mystiker Arthur E. Waite und der Künstlerin Pamela Colman Smith entwickelten Tarotkarten. Das Set im Schuber beinhaltet Faksimile-Drucke der 1910-Originalkarten und des Key to the Tarot von Arthur E. Waite, ebenfalls in Kartenformat. 

Tarot oder der Interpretationsspielraum des Zufalls

Die ersten Tarotkarten entstanden zwischen 1425 und 1460 in Oberitalien und etwas später in Südfrankreich. Spielkarten waren schon seit Jahrhunderten bekannt, aber Tarotkarten erst durch die Renaissance. Ihr eigentlicher Ursprung wird im alten Ägypten vermutet. Der heilige Antonius lebte dort vermutlich um 300 n. Chr. Seine Darstellung mit antiken Inhalten wie den Kardinaltugenden Gerechtigkeit, Tapferkeit, Klugheit, Mäßigkeit und die Darstellung des Sternzeichens Wassermann verweisen sogar auf babylonische Quellen. Tarotkarten werden als Sinnbilder nämlich auch jedem Tierkreiszeichen und damit Geburtsdatum zugeordnet, auch darüber gibt vorliegende Publikation Auskunft. Mithilfe der Anleitung kann man seine Persönlichkeitskarte, Wesenskarte und Jahreskarte (etwa für 2024) ermitteln. In der Einleitung zu vorliegendem Tarotbuch wird aber auch auf den Bedeutungswandel von Symbolen eingegangen. Die Vögel Picassos sind nicht dieselben eines Hitchcocks, der böse Wolf des Rotkäppchens ist nicht derselben wie aus Hesses Steppenwolf. 

Tarotlegen, ein schöpferischer, persönlicher Akt

In unserer Moderne gingen sie schon mal als animierte Bilder auf Tournee mit Madonna (2004) oder wurden von Niki de Saint Phalle in einem Themenpark in der Toskana als Kunst im öffentlichen Raum ausgestellt. Praktisch für den Alltag bedeutet das Tarotlegen: "Jede Symboldeutung ist auch ein schöpferischer persönlicher Akt, jede Wahrnehmung zugleich eine Wahrgebung." Das Wichtigste dabei ist wohl, auf keine festgelegten Prinzipien zu vertrauen, sondern gerade das Unerwartete zuzulassen. Die Deutlichkeit der eigenen inneren Stimme zu vernehmen, wird durch das Tarotlegen ebenso erlernt wie das Vertrauen auf den Zufall, das sog. Urvertrauen. Alles, was mir geschieht, ist gut für mich, alles, was nicht geschieht, ist nicht für mich bestimmt und soll wegbleiben. "Das Tarot macht aus dem Zufall eine Tugend und eine laufende Übung, denn ohne den glücklichen Zufall gäbe es uns alle nicht.", so der Herausgeber.

Aus dem Dunkel ans Licht

In zwei Einleitungskapiteln wird die persönliche Entwicklung der beiden Schöpfer aus Amerika, die sich durch den Orden des Golden Dawn in London kennenlernten, des Tarot genauer beleuchtet. Interessant ist u. a. auch der Umstand, dass Pamela Colman Smith schon in ihrer Jugend öfters zwischen New York und Jamaica (!) hin- und herreiste und u. a. jamaikanische Märchen illustrierte. In London lernte sie auch den Schriftsteller William Butler Yeats kennen. Auch Rudyard Kipling und Mark Twain sollen von ihren Zeichnungen begeistert gewesen sein. "If the doors of perception were cleansed everything would appear to man as it is: infinite. For man has closed himself up, till he sees all things thro' narrow chinks of his cavern", wusste schon William Blake, Pionier und Visionär, der auch Arthur E. Waite beeinflusst haben dürfte. Interessant sind auch die Ausführungen zur Populärkultur der Sechziger und Siebziger. So war es etwa kein Geringerer als His Bobness, Bob Dylan, der auf seinem Album "Desire" Tarotkarten verwendete oder die Doors, die sich ebenfalls damit auseinandersetzten. 

Prächtige Gestalt und Ausführung

Die vorliegende Tarot-Box enthält einen kompletten Satz der 78 Karten und Waites berühmtes Buch The Key to the Tarot. Zudem werden in dem großformatigen Text-Bild-Band, von Johannes Fiebig herausgegeben, die Tarotkarten zu Spiegeln und Wegweisern, zu neuen Antworten und persönlichen Lösungen. Jede der 78 Karten wird ausführlich beschrieben, Praxistipps des Legens selbstverständlich mitgeliefert. Mit dem Quick-Check läßt sich eine kurze, schnelle Antwort für jede Karte auf jeder möglichen Position aller hier im Buch vorgestellten Legemuster erstellen. Die Essays von Rachel Pollack, Mary K. Greer und Robert A. Gilbert zeigen Pamela Colman Smith und Arthur E. Waite auch von ihrer privaten Seite. Johannes Fiebig, der Herausgeber, ist auch Gründer des Königsfurt-Verlags und lebt heute als freier Autor in Kiel.


von Juergen Weber - 17. Dezember 2023
Das Tarot von A. E. Waite und P. Colman Smith
Johannes Fiebig (Hrsg.)
Ilse Pollack
Mary K. Greer
Dirk Ulrich Gilbert
Das Tarot von A. E. Waite und P. Colman Smith

Die Geschichte des populärsten Tarot der Welt
Taschen 2023
444 Seiten, gebunden
EAN 978-3836586436
Mit Faksimiles des Orig.-Tarnt Decks von 1910 und A. E. Waites Key to the Tarot