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China - Lexikon zu Geographie und Wirtschaft

Über die Wirtschaft Chinas

China, dem nach Russland und Kanada drittgrößten Land der Erde mit einer stürmischen Wirtschaftsentwicklung und einer Bevölkerung von mehr als 1,2 Milliarden Menschen, gilt in den letzten Jahren zunehmendes Interesse der westlichen Welt. Diese Veröffentlichung stellt ein handliches Nachschlagewerk zur Wirtschaft Chinas - inklusive Hongkong und Taiwan - unter Berücksichtigung geografischer Gegebenheiten und demografischer Entwicklungen dar. Die Aufsätze wurden dem 2003 erschienenen großen China-Lexikon entnommen und spiegeln den Kenntnisstand von Ende der Jahre 1990er Jahre wider. Zwar sind nach Ansicht der Herausgeber die damals gemachten Prognosen eingetreten; insofern ist die Darstellung nicht veraltet. Doch hätte man sich eine Aktualisierung zumindest der statistischen Angaben gewünscht.

Greift man beispielsweise den Bereich "Umweltverschmutzung" heraus, so findet man die Angabe, dass 1995 80% der Flussläufe so verschmutzt waren, dass zwei Drittel der Bevölkerung nur noch mit "gesundheitlich bedenklichem Wasser" versorgt werden konnten (S. 13); bereits Mitte der 1990er Jahre war China nach den USA der weltweit zweitgrößte Emittent an Treibhausgasen. Da erführe man schon gerne, wie es zehn Jahre später aussieht. Oder das Kapitel "Bodenschätze": Hier liest man, dass sich aufgrund der niedrigen Erdölpreise der 1990er Jahre aufwändige Erschließungsmaßnahmen im Offshore-Bereich nicht lohnten. Das stellt sich heute sicherlich anders dar.

Das Schwergewicht des Bandes liegt auf den wirtschaftlichen Gegebenheiten in der Volksrepublik China. Auch historische Entwicklungslinien und Brüche werden aufgezeigt. Hier findet sich auch ein interessantes Kapitel über "Wirtschaftsethik" (von Carsten Herrmann-Pillath), das ruhig etwas ausführlicher hätte sein dürfen. Denn im Westen ist Un- oder Teilwissen über kulturelle Praktiken in China vorherrschend. So weist der Autor auf ein Missverständnis hin, demzufolge man hier von "einer starken Gruppenorientierung im chinesischen Wirtschaftsverhalten" ausgeht (S. 52). Herrmann-Pilath erblickt die moralische Bindung zwar auf die Familie, weniger jedoch auf andere Gruppen - also auch das Unternehmen - ausgerichtet, sondern aufgrund konfuzianischer Traditionen auf die Person mit dem höchsten Status. "Chinesische Gruppen sind daher tatsächlich instabil und häufig in scharfer Weise dem Widerstreit individueller Interessen ausgesetzt." "Die individuelle Bindung an das Unternehmen ist eher schwach: Entsprechende Probleme der Führung komplexerer Unternehmen, die nicht mehr als Familienunternehmen konstruiert sein können, stellen sich ein."

Die einzelnen Sektoren der chinesischen Wirtschaft - Landwirtschaft, Handwerk, Industrien und Dienstleistungen - werden ausführlich analysiert und in ihrer historischen Entwicklung seit 1949 dargestellt. China verfügt über 7% der weltweiten agrarischen Nutzflächen, muss damit aber 20% der Weltbevölkerung ernähren. Damit wird deutlich, dass infolge einer Reduzierung der Armut bei Produkten wie Fisch, Pflanzenöl oder Zucker in Zukunft die wachsende chinesische Nachfrage die heimischen Produktionskapazitäten übersteigen und Druck auf die globale Versorgung ausüben wird.

Seit 1979 sind chinesisch-ausländische Joint-Ventures zugelassen, seit 1986 Wholly Foreign Owned Enterprises (WFOE) für Unternehmen, die mehr als 50% ihrer Produkte exportieren. Heute liegt China hinter den USA dadurch weltweit auf dem zweiten Platz, was die Akquisition ausländischen Kapitals angeht. Trotzdem ist bei der Zahl neuer Projekte seit 1996 ein Rückgang zu verzeichnen. Die Erfahrungen ausländischer Investoren waren bei Joint-Ventures nicht immer günstig: Die Umsatzerwartungen wurden zu hoch angesetzt, es gab Schwierigkeiten bei der Besetzung des Managements und die chinesischen Partner erwiesen sich als nicht stark genug im Vertrieb.

Mancher fragt sich wohl, weshalb angesichts großer Direktinvestitionen aus dem Ausland China noch eines der wichtigsten Zielländer ausländischer Entwicklungszusammenarbeit ist. Für Deutschland beispielsweise lag China 1998/99 mit 1,2 Mrd. US-Dollar als Nehmerland von Entwicklungsleistungen an erster Stelle. Margot Schüller weist darauf hin, dass die Direktinvestitionen hauptsächlich an die Ostküste fließen, während die Mittel aus Entwicklungsprojekten nach Zentral- und Westchina fließen und dort ärmere Bevölkerungsschichten erreichen. Im Übrigen leistet China selbst wiederum Entwicklungshilfe, ursprünglich an Kuba, Nordkorea, Nordvietnam und Albanien, heute zunehmend an afrikanische Staaten - an erster Stelle steht Tansania -, um deren Markt zu erschließen und Rohstoffe für China zu sichern.

Im dritten Teil des Buches kann der Leser Informationen über die einzelnen politischen Einheiten wie Provinzen oder Städte auffinden.

Bedauerlich ist, dass neben Tabellen und Grafiken nicht auch einige Fotos das sehr informative Werk illustrieren.


von Eva Lacour - 09. Januar 2007
China - Lexikon zu Geographie und Wirtschaft
Brunhild Staiger (Hrsg.)
Stefan Friedrich (Hrsg.)
Hans-Wilm Schütte (Hrsg.)
China - Lexikon zu Geographie und Wirtschaft

Primus 2006
268 Seiten, gebunden
EAN 978-3896785824